Klinikpersonal auf "unvorstellbare Lazarett-Zustände" vorbereiten

"Wir versuchen in unseren Häusern, Ärzte und Pflegekräfte auf solche extremen Herausforderungen vorzubereiten, in denen sie eine Auswahl treffen müssen", sagte Ingo Morell, Vize-Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschland (kkvd), im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Anlass seien Gespräche mit italienischen Kollegen. 

 

"Wir setzen uns intensiv mit diesen eigentlich unvorstellbaren Lazarett-Szenarien auseinander und werden versuchen, eine seelsorgerische Betreuung des Personals sicherzustellen, damit Ärzte und Pflegekräfte in diesen Extremsituationen nicht alleine sind, sondern damit das gemeinsam getragen werden kann", sagte Morell. "Nach welchen Kriterien können solche Entscheidungen getroffen werden? Eine einfache Antwort wird es nie geben, und wir dürfen niemanden mit dieser Verantwortung alleinlassen."

 

Krankenhaus-Schutzschirm ist unzureichend

 

Den überarbeiteten Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für einen finanziellen Krankenhaus-Schutzschirm kritisierte der Verband als völlig unzureichend. "Wenn Spahn nicht sofort nachbessert, werden die ersten Häuser im April in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Es braucht unbedingt kurzfristige Liquiditätshilfe in Form von Überbrückungskrediten, sonst wird es nicht gehen", warnte Morell in der "NOZ". "Wenn Mitarbeiter weiter befürchten müssen, am Ende des Tages blieben sie im Regen stehen, hat das eine verheerende psychologische Wirkung. Das darf nicht passieren! Denn wir schaffen es nur, wenn sich alle weiterhin maximal engagieren, wie sie es jetzt noch tun." 

 

Gewaltige Verunsicherung in den Krankenhäusern

 

Die Verunsicherung in den Krankenhäusern sei auch nach dem am Montag vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf "gewaltig", sagte Morell. Denn den Kliniken würden Einnahmen aus dem normalen Krankenhausbetrieb wegbrechen, wenn etwa die Fallpauschalen nicht mehr abgerechnet werden könnten, weil dafür nicht das erforderliche Personal eingesetzt werden könne. Auch der Bettenleerstand werde durch Spahns nachgebessertem Rettungsschirm "nicht so ausgeglichen, wie es notwendig wäre, um ausreichende Sicherheit zu geben, gerade für große Häuser und Maximalversorger." 

 

Frühe Entwarnung könnte fatalen Effekt haben

 

Mit Blick auf die Einschätzung von RKI-Chef Lothar Wieler, die Kurve der Neuinfektionen flache bereits ab, zeigte sich der kkvb-Vize skeptisch. "Wir stellen uns auf den gegenteiligen Prozess ein", sagte Morell und warnte: "Eine verfrühte Entwarnung könnte den fatalen Effekt haben, dass jetzt nicht mehr die ganze Kraft in das Hochfahren der Kapazitäten gesteckt wird, was sich später bitter rächen würde. Die psychologische Wirkung sollte das RKI unbedingt im Blick haben." Bei weiter stark steigenden Zahlen "könnten wir in wenigen Wochen oder Monaten Kapazitätsprobleme bekommen", sagte der Vize-Vorsitzende der "NOZ". 

 

Ansteckung von Pflegekräften in der Nachtschicht

 

"Das Personal ist der größte Engpass und wird es bleiben", so Morell. Wenn nicht genug Schutzkleidung nachgeliefert werde, "können wir den optimalen Schutz vor Ansteckung nicht mehr an allen unseren Standorten gewährleisten", zeigte sich der kkvb-Vize alarmiert. "Länder und Bund müssen jetzt dringend zielgenau verteilen, was sie beschaffen konnten. Ansonsten haben wir hier ein großes Problem. Auch beim Material für die Patienten-Beatmung könnte es bald kritisch werden." 

Schön heute komme es zu Ansteckungen von Pflegekräften, etwa, wenn in Nachtschichten ein neuer Corona-Patient aufgenommen werden muss.

 

Labore liefern nicht genug Test-Kits

 

"Wir können das Personal dann nicht sofort abziehen, ohne die Patientenbetreuung zu gefährden. Und es kommt vor, dass Mitarbeiter infiziert sind, ohne dass sie oder wir das wissen." Die Labore könnten derzeit nicht ausreichend Test-Kits liefern. Auch Rückkehrer aus Hochrisikogebieten werden eingesetzt, soweit Personalmangel herrscht und wenn sie keine Symptome zeigen. "Womöglich müssen auch wir in vier Wochen bewusst infizierte Pflegekräfte und Ärzte weiterarbeiten lassen, weil es anders schlicht nicht mehr geht, weil zu viele Patienten behandelt werden müssen", sagte Morell. pm, ots

 

English version

 

Because of the feared overload of corona patients, the Catholic clinics are adjusting their staff to not be able to treat all patients. "In our homes, we try to prepare doctors and nursing staff for such extreme challenges where they have to make a choice," said Ingo Morell, Vice-Chairman of the Catholic Hospital Association of Germany (kkvd), in an interview with the "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ). The occasion was talks with Italian colleagues. 

 

"We are dealing intensively with these actually unimaginable hospital scenarios and will try to ensure pastoral care for the staff so that doctors and nursing staff are not alone in these extreme situations, but so that this can be borne together," said Morell. "What criteria can be used to make such decisions? There will never be a simple answer, and we must not leave anyone alone with this responsibility."

 

Hospital safety shield is insufficient

 

The association criticized the revised draft bill of Health Minister Jens Spahn (CDU) for a financial hospital protection umbrella as completely insufficient. "If Spahn doesn't improve immediately, the first hospitals will run into financial difficulties in April. Short-term liquidity aid in the form of bridging loans is absolutely necessary, otherwise it will not work", warned Morell in the "NOZ". "If employees continue to fear that they will be left out in the rain at the end of the day, it will have a devastating psychological effect. That must not happen! Because we can only succeed if everyone continues to show maximum commitment, as they are doing now." 

 

Tremendous uncertainty in the hospitals

 

The uncertainty in the hospitals is "enormous" even after the bill passed by the cabinet on Monday, said Morell. The hospitals would lose income from normal hospital operations if, for example, the per-case flat rates could no longer be billed because the necessary personnel could not be deployed. Also the vacancy of beds would not be compensated by Spahn's improved rescue system "in the way it would be necessary to provide sufficient security, especially for large hospitals and maximum care providers". 

 

Early all-clear could have fatal effect

 

With regard to the assessment of RKI head Lothar Wieler, the curve of new infections is already flattening out, the kkvb vice president was sceptical. "We are preparing for the opposite process," said Morell and warned: "An early all-clear could have the fatal effect of not putting all our energy into increasing capacities now, which would take bitter revenge later. The RKI should definitely keep the psychological effect in mind." If the numbers continue to rise sharply "we could have capacity problems in a few weeks or months," said the vice-chairman of the "NOZ". 

 

Infection of nursing staff during the night shift

 

"Personnel is the biggest bottleneck and will remain so," says Morell. If not enough protective clothing is supplied, "we can no longer guarantee optimum protection against infection at all our sites," the kkvb vice president was alarmed. "The states and the federal government must now urgently distribute what they have been able to procure in a targeted manner. Otherwise we have a big problem here. The material for patient ventilation could also soon become critical. 

It's nice to see nurses getting infected today, for example when a new corona patient has to be admitted during night shifts.

 

Laboratories don't supply enough test kits

 

"We cannot then immediately remove the staff without endangering patient care. And it happens that staff are infected without them or us knowing it." The labs can't supply enough test kits right now. Returnees from high-risk areas are also used when there is a shortage of staff and when they show no symptoms. "We may also have to let deliberately infected nurses and doctors continue working in four weeks' time because it simply won't work any other way, because too many patients have to be treated," said Morell. pm, ots, mei