Warum Elektro-Autos immer noch mit Skepsis betrachtet werden

Höhere Anschaffungspreise und Unterschiede in den laufenden Kosten zwischen E-Autos und Verbrennern sind dementsprechend nicht der einzige Grund für die geringe Fahrleistung von Elektrofahrzeugen. Stattdessen dürften auch verhaltensbezogene und nicht-monetäre Faktoren eine Rolle spielen. Alltägliche Entfernungen sind jedoch mit einem marktüblichen E-Auto gut zu erreichen. Dies zeigt eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim.

 

"Viele Menschen bevorzugen Verbrenner. Mögliche Gründe dafür sind die Macht der Gewohnheit und Reichweitenangst“, sagt  Martin Kesternich, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Umwelt und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ sowie Mitautor der Studie. 

 

Die Grundlagen der Studie

 

Die Studie stützt sich zum einen auf die Umfrage „Mobilität in Deutschland 2017“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Zum anderen nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Buchungsdaten der Firma Flinkster, dem größten Carsharing-Anbieter in Deutschland, aus den Jahren 2014 bis 2016. „Beim Flinkster-Carsharing liegt eine Besonderheit der Nutzung darin, dass die Fahrtkosten pro gefahrener Zeit und Strecke über alle angebotenen Motortypen innerhalb einer Fahrzeugklasse immer gleich sind, egal ob elektrisch oder konventionell“, erklärt Kesternich. „Aufgrund dieser identischen Kostenstruktur sind beobachtbare Unterschiede in der Nutzung zwischen Elektroautos und Verbrennern also nicht auf Kostenunterschiede zurückzuführen, sondern geben vielmehr Auskunft über die Rolle nicht-monetärer Faktoren für das Fahrverhalten.“

 

Deutlich geringere Nutzung von Elektroautos beim Carsharing

 

Für private Fahrzeughalter sind E-Autos in der Anschaffung – auch nach Einbeziehung der aktuellen staatlichen Förderprämien – meist noch teurer. Die variablen Kosten pro Kilometer liegen jedoch aufgrund des geringen Preises (pro Energieeinheit) von Strom gegenüber Benzin oder Diesel deutlich unter denen herkömmlicher Fahrzeuge. Die Kostenstruktur allein bietet also Anreize, E-Autos mindestens genau so intensiv zu nutzen wie konventionelle Fahrzeuge. Wie die Studie zeigt, fahren private Haushalte ihre E-Autos durchschnittlich 13.052 Kilometer im Jahr. Das sind etwa acht Prozent weniger als bei privaten Autos mit Verbrennungsmotoren. Dabei ist die höhere Kilometerzahl herkömmlicher Autos vor allem auf die starke Nutzung von Dieselautos zurückzuführen. 

 

Carsharing-Dienste sind zurückhaltend

 

Bei Carsharing-Diensten dagegen ist der Unterschied zwischen E-Autos und Autos mit Verbrennungsmotoren noch stärker ausgeprägt: Elektroautos, welche ganzjährig zur Verfügung standen, erreichen lediglich 21 Prozent der Jahresfahrleistung herkömmlicher Autos. Neben geringeren Fahrleistungen pro Buchung werden Elektroautos an Leihstationen, die Fahrzeuge mit beiden Antriebstechnologien anbieten, auch seltener gebucht als konventionelle Fahrzeuge. Die deutlich geringere Nutzung von Elektroautos beim Carsharing interpretieren die Wissenschaftler dahingehend, dass die Preisunterschiede nicht den einzigen Grund für den wesentlich geringeren Marktanteil von Elektroautos darstellen. Vor dem Hintergrund dieser Befunde ist es daher derzeit fraglich, ob die Erhöhung der Förderprämien der E-Mobilität durch zusätzliche Nachfrage zum Durchbruch verhelfen kann. 

 

„Die Sorge der Autofahrerinnen und Autofahrer entkräften“

 

Eine mögliche Erklärung für die geringere Nutzung trotz gleicher Kosten ist eine sogenannte Status-quo-Verzerrung. Das bedeutet, dass Nutzer den gegenwärtigen Zustand übermäßig bevorzugen und resistent gegenüber Veränderungen sind. Ein anderer Grund für die Zurückhaltung bei der E-Mobilität könnte Reichweitenangst sein, also die Angst, mit einem Elektroauto weite Strecken nicht hinreichend bewältigen zu können.

 

Reichweitenangst ist unbegründet

 

Diese Reichweitenangst ist für die Mehrheit der gefahrenen Strecken allerdings unbegründet, wie die Analyse von Tagesfahrleistungen privater Fahrzeuge und der Carsharing-Daten zeigt. „Selbst bei sehr ungünstigen Annahmen zu Reichweite und Lademöglichkeiten von E-Autos könnten zwischen 82 und 92 Prozent der täglich mit Verbrennungsmotoren zurückgelegten Fahrten grundsätzlich auch mit E-Autos bewältigt werden. Bei moderaten Annahmen nähert sich der Anteil sogar 99 Prozent“, stellt Studienautor Kesternich fest. „Daher ist es wichtig, dass politische Entscheidungs-träger, Autohersteller und Carsharing-Anbieter die Sorge der Autofahrerinnen und Autofahrer entkräften. Dies könnte beispielsweise durch attraktive Leihangebote für die erstmalige E-Auto-Nutzung unterstützt werden. Des Weiteren ist der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur eine wichtige Aufgabe für die Politik, denn die Verfügbarkeit und rasche Nutzbarkeit von Lademöglich-keiten trägt ebenfalls zur Reduktion der Reichweitenangst bei.“

 

Sonderfall: Tage mit hohem Mobilitätsbedarf

 

Ein Sonderfall sind Tage mit besonders hohem Mobilitätsbedarf, etwa aufgrund von Urlaubsreisen. Solche weiten Strecken lassen sich aktuell mit Elektroautos nur mit erhöhtem Zeit- und Planungsaufwand zurücklegen. Für Personen oder Haushalte mit nur einem Fahrzeug können diese seltenen Fahrten einen Grund darstellen, sich gegen ein Auto mit Elektroantrieb zu entscheiden. Eine Lösung bestünde zum Beispiel darin, Käuferinnen und Käufern von E-Autos Gutscheine für Langstreckenfahrten mit der Bahn anzubieten. Darüber hinaus wäre es auch denkbar, das zeitlich begrenzte Leihen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in solchen Fällen mit besonderen Konditionen zu fördern. pm, zew

 

English version

 

For longer distances, motorists use vehicles with combustion engines far more often than electric cars. This applies not only to privately owned cars, but especially to car-sharing offers, where the cost structure for both types of drive is the same for customers. Accordingly, higher purchase prices and differences in running costs between electric cars and internal combustion engines are not the only reason for the low mileage of electric vehicles. Instead, behavioural and non-monetary factors are also likely to play a role. However, everyday distances are easily covered by a standard e-car. This is shown in a recent study by the ZEW Mannheim.

 

"Many people prefer combustion engines. Possible reasons for this are the power of habit and fear of range", says Martin Kesternich, deputy head of the ZEW research department "Environmental and Resource Economics, Environmental Management" and co-author of the study. 

 

The basics of the study

 

The study is based on the survey "Mobility in Germany 2017" conducted by the Federal Ministry of Transport and Digital Infrastructure (BMVI). On the other hand, the researchers used booking data from the company Flinkster, the largest car sharing provider in Germany, for the years 2014 to 2016: "A special feature of Flinkster car sharing is that the travel costs per driven time and distance are always the same across all offered engine types within a vehicle class, whether electric or conventional," explains Kesternich. "Due to this identical cost structure, observable differences in use between electric cars and internal combustion engines are therefore not due to cost differences, but rather provide information about the role of non-monetary factors in driving behavior".

 

Significantly lower use of electric cars in car sharing

 

For private car owners, e-cars are usually even more expensive to buy - even after the current state subsidy premiums have been included. However, the variable costs per kilometre are significantly lower than those of conventional vehicles due to the low price (per unit of energy) of electricity compared to petrol or diesel. The cost structure alone therefore offers incentives to use e-cars at least as intensively as conventional vehicles. As the study shows, private households drive their e-cars an average of 13,052 kilometers per year. That is about eight percent less than for private cars with combustion engines. The higher mileage of conventional cars is mainly due to the heavy use of diesel cars. 

 

Car-sharing services are restrained

 

In car sharing services, on the other hand, the difference between electric cars and cars with combustion engines is even more pronounced: electric cars, which were available all year round, only achieve 21 percent of the annual mileage of conventional cars. In addition to lower mileage per booking, electric cars are also booked less frequently than conventional vehicles at rental stations that offer vehicles with both drive technologies. The researchers interpret the significantly lower use of electric cars in car sharing as meaning that price differences are not the only reason for the much lower market share of electric cars. Against the background of these findings, it is therefore currently questionable whether the increase in incentive premiums can help e-mobility to achieve a breakthrough through additional demand. 

 

"Easing motorists' fears"

 

One possible explanation for the lower use despite the same costs is a so-called status quo distortion. This means that users unduly prefer the current state and are resistant to change. Another reason for the reluctance to use e-mobility could be fear of range, i.e. the fear of not being able to cover long distances adequately with an electric car. 

 

Fear of range is unfounded

 

However, this fear of range is unfounded for the majority of the distances travelled, as the analysis of daily mileage of private vehicles and car sharing data shows. "Even with very unfavorable assumptions regarding the range and charging possibilities of e-cars, between 82 and 92 percent of the daily trips made with combustion engines could in principle also be covered by e-cars. With moderate assumptions, the proportion would even approach 99 percent," states study author Kesternich. "It is therefore important that political decision-makers, car manufacturers and car-sharing providers dispel drivers' concerns. This could be supported, for example, by attractive loan offers for first-time e-car use. In addition, the expansion of the public charging infrastructure is an important task for politicians, because the availability and rapid usability of charging facilities also helps to reduce range anxiety.

 

Special case: Days with high mobility requirements

 

A special case are days with particularly high mobility requirements, for example due to holiday trips. At present, such long distances can only be covered with electric cars with increased time and planning effort. For persons or households with only one vehicle, these rare trips can be a reason to decide against a car with electric drive. One solution, for example, would be to offer purchasers of electric cars vouchers for long-distance rail travel. In addition, it would also be conceivable to promote the temporary rental of vehicles with combustion engines under special conditions in such cases. pm, zew, mei