Nicht alle sehen in dem Elektroauto das Non-plus-ultra. Einer davon ist der Ingolstädter Professor Jörg Wellnitz. Im Interview erklärt er, wo es seiner Ansicht nach bei der Elektromobilität hakt.
Herr Professor Wellnitz, Sie sehen die E-Mobilität kritisch. Dann fahren Sie wahrscheinlich kein E-Auto?
JÖRG WELLNITZ: Doch, wir haben ein E-Auto und zwar einen Nissan Leaf. Das schon seit zwei Jahren.
Und zum „Ausgleich“ fahren sie bestimmt einen Diesel. Habe ich recht? Da schließt sich gleich die nächste Frage an. Haben Sie als Dieselfahrer keine Angst vor Fahrverboten?
WELLNITZ: Genau, wir haben auch noch einen Diesel in der Garage. Aber der hat neueste Technologie (6d-TEMP) unter der Haube. Vor Fahrverboten habe ich deshalb keine Angst. Mein Dieselmotor ist sauber und liegt mit seinen Werten 90 Prozent unter der EU-Norm. Außerdem ist man mit einem Diesel sehr sparsam unterwegs. Und denken Sie daran, den Strom für das E-Auto gibt es nicht umsonst.
Wie erklären Sie sich dann den Hype für das E-Auto?
WELLNITZ: Da es sich um ein sogenanntes Null-Emmisonsfahrzeug handelt, hilft es den Autoherstellern bei der positiven Einordnung ihrer Flotte. Hinzu kommen noch staatliche Fördermittel und ein grünes Image für die Autobauer. Außerdem sind in Kalifornien und China E-Autos die Eintrittskarte in den Markt. Natürlich darf man in diesem Zusammenhang auch die Medien nicht vergessen. Sie sind Multiplikator und befeuern diesen Hype.
Von welchen „Gruppen“ und mit welchem Ziel wird dieser Hype am Leben gehalten? Und: Wollen die Autohersteller überhaupt das E-Auto?
WELLNITZ: Zu einer dieser „Gruppen“ gehört zum Beispiel China, das sich möglicherweise zum Ziel gesetzt hat, dass unsere Autohersteller ihre Verbrennertechnologie aufgeben. Aus meiner Sicht, wollen die Autohersteller aber kein E-Auto. Dass sie sich trotzdem in diesem Markt engagieren, ist den hohen EU-Vorgaben und Technologiekontrollen geschuldet. Außerdem gibt es noch die besagte E-Mobilität-Lobby, die starken Einfluss nimmt. Und die städtischen Versorger und andere große Energieunternehmen hoffen natürlich mit der E-Mobilität auf ein neues, großes Geschäft.
Und warum setzt China im großen Stil auf E-Mobilität?
WELLNITZ: In China gibt es große Städte, die durch Smog sehr betroffen sind. Hier hilft natürlich die E-Mobilität, die Luft sauberer zu machen. Ich glaube aber nicht, dass Peking generell auf diese Technologie setzt, obwohl die Chinesen im Batteriebau weltweit sehr weit vorne liegen. Natürlich auch vor Deutschland. Die Energie für die E-Mobilität gewinnt China alles andere als umweltfreundlich. Das Land setzt auf Atomstrom und fossile Energieträger. Darüber hinaus baut es riesige Stauseen.
Halten Sie unter diesen Umständen die E-Mobilität für das Zukunftsmodell schlecht hin?
WELLNITZ: Nein! Und vor allem halte ich die E-Mobilität nicht tauglich für den Massenmarkt. Sie ist für mich auch ein globaler Klimakiller, da E-Mobilität viele Energiequellen verbraucht. Fasst man das alles zusammen, ist das E-Auto ein Auto ohne Vorteile. Es hat die selbe C02-Bilanz wie ein „Verbrenner“. Darüber hinaus darf die soziale Komponente nicht außer acht gelassen werden. Stellen Sie sich vor, dass es viele Menschen gibt, die keine Garage haben, in der sie ihr E-Auto laden können. Sie sind auf öffentliche Ladestationen angewiesen. Lange Warte- und Ladezeiten inbegriffen. Dann gibt es die „normalen Lader“ in den Großstädten. Und an der Spitze der Nahrungskette stehen dann die den Supercharger nutzen, die schnelles laden ermöglichen. Bezahlen muss der Verbraucher natürlich den Strom für das Fahrzeug auch.
Sollten wir dann ganz auf die E-Mobilität verzichten?
WELLNITZ: Nein. Ich halte diese Technologie in Verbindung mit einem Verbrennermotor für sinnvoll. Der Verbrauch ist dann auch deutlich günstiger, weil der E-Motor auf der Strecke geladen wird und nicht an der Steckdose. Aber es gibt auch andere Technologien, die für Autos Sinn machen. So zum Beispiel Wasserstoff, ein Ottomotor mit Saugrohreinspritzung und moderne Diesel. Außerdem gibt es alternative Kraftstoffe: Synthetic Fuels.
Lassen Sie uns einmal den „normalen“ Verbraucher ins Spiel bringen. Welche Kosten kommen auf ihn zu, wenn er mit einem E-Auto unterwegs ist?
WELLNITZ: Die abendliche Tankfüllung kann zwischen acht und zehn Euro kosten, abhängig von der Ladegeschwindigkeit. Für die „Normallader“ in den Städten können im Monat (Strom)Kosten in Höhe von 600 bis 800 Euro zusammenkommen. Sie zahlen für ihre Ladestationen 15 bis 20 Prozent über den normalen Strompreis. Wer beim Schnell-Lader (Supercharger) lädt, kann zu diesen Preisen noch einmal den Faktor zehn dazurechnen.
Supercharger, dass ist ja in der Regel die Tankstelle des Teslas, ein Auto, das im Hype-Ranking ganz oben steht. Welche Rolle spielt das Unternehmen innerhalb der Automobilindustrie?
WELLNITZ: Tesla ist ein Unternehmen, das schon längst insolvent wäre, wenn die Marke nicht gebraucht würde.
Wie meinen Sie das?
WELLNITZ: Tesla ist ein Unternehmen, das aus Sicht der großen Autohersteller mal etwas ausprobieren und Fehler machen kann, aus denen auch andere lernen können. Mit Elon Musk führt das Unternehmen auch noch ein exzentrischer Mann an, der zum Medienliebling avanciert. Am Ende des Tages ist Tesla für die etablierten Autohersteller keine echte Konkurrenz. Es produziert noch nicht einmal 500 Autos pro Tag und ist somit für VW&Co. nicht ernst zu nehmen. Mit Tesla haben die großen Autobauer lediglich eine Pseudokonkurrenz aufgebaut. mei
Person: Professor Jörg Wellnitz ist Dozent an der Technischen Universität Ingolstadt. Sein Lehrgebiet: Konzeptioneller Leichtbau, Konstruktion und CAE.