Die Preise an den Tankstellen schwanken heftig. Ein Gespräch mit dem Rohstoffexperten, Udo Rettberg, wo die Reise beim Ölpreis hingeht.
Der Benzinpreis ist für die Verbraucher immer ein Top-Thema. Was dürfe diese in der Zukunft erwarten?
UDO RETTBERG: Der Preis der in Europa am stärksten beachteten Rohölsorte „Brent“ (Nordseeöl) ist nach einem Jahreshoch von über 86 US-Dollar je Barrel in diesem Jahr wieder auf unter 60 US-Dollar gefallen. Trotzdem ist der Benzinpreis hoch geblieben. Benzin und Diesel haben die Ölpreisschwäche auch deshalb nicht vollständig nachvollzogen, weil es Probleme beim Transport aus den Lagern und Raffinerien gab und noch immer gibt. Ein Grund ist die Trockenperiode. Sie hat zu Niedrigwasser auf Flüssen – etwa auf dem „Rhein“ – geführt, und das schränkt die Beladungs-Kapazitäten der Tankschiffe ein. Zuvor hatte es weltweit Prognosen einer Rückkehr des Ölpreises über die Marke von 100 US-Dollar je Barrel noch in diesem Jahr gegeben. Das ist auch deshalb nicht eingetroffen, weil die großen Förderländer Russland und Saudi Arabien wieder größere Mengen Öl am Markt angeboten haben. Hinzu kommt, dass sich die USA mit ihrer Fracking-Technologie am Weltmarkt etabliert haben und Öl verkaufen.
Wie wichtig ist der Hafen Rotterdam für „das Benzin“?
RETTBERG: Der Hafen in Rotterdam ist Lagerstätte und Raffinerie-Standort gleichzeitig. Darüber laufen große Mengen an Rohöl sowie Ölprodukten wie Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosin und Naphta in Richtung der Verarbeiter und Verbraucher. Rotterdam ist Umschlagplatz für Nordseeöl sowie für Öl aus Russland, den baltischen Ländern und Staaten des Mittleren Ostens. Abnehmer sind vor allem Kunden aus dem europäischen Markt und aus Asien.
Was ist mit Deutschland?
RETTBERG: Für Deutschland ist der Rohöl-Spotmarkt und der Hafen in Rotterdam vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil er der kürzeste Verkehrsweg hin zum Verbraucher ist. Er gilt als eine Art Preis-Benchmark an der Nordwestküste des europäischen Kontinents. Rotterdam wird hierzulande als logischer Knotenpunkt bei der Bündelung und der Distribution von Ölprodukten gesehen. Gerade für den Transit in Richtung EU bietet Rotterdam ausgezeichnete Verbindungen für allen Verkehrsarten – also sowohl über Rohrleitungen als auch über den Seeweg und die Binnenschifffahrt sowie Straße und Schiene.
Hat der Ölpreis sein Jahreshoch mittlerweile schon gesehen?
RETTBERG: Es spricht vieles dafür, dass Rohöl in diesem Jahr nicht mehr über das alte Jahreshoch steigen wird. Da im kommenden Jahr wegen des globalen Schulden-Dilemmas eine schwächere Weltkonjunktur möglich erscheint, ist auch kein weiterer nachhaltiger Angriff des Ölpreises auf die 100 US-Dollar-Marke absehbar.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung auf dem Ölmarkt ein?
RETTBERG: Generell gilt, dass die im 15 Förderländer im Opec-Kartell (Organization of the Petroleum Exporting Countries) wegen globalpolitischer Spannungen und Eifersüchteleien über die Jahre hinweg deutlich an Macht und Einfluss auf das früher geltende Preisdiktat verloren haben. Die Fracking-Technologie der USA führte dazu, dass der Einfluss der USA am Weltrohölmarkt stark zugenommen hat. Da stellt sich dann auch die Frage, was Donald Trump mit seiner besonderen politischen Haltung gegenüber den Saudis eigentlich will – steigende oder fallende Rohölpreise? Weil er Angst um den US-Aufschwung hat, sprach er sich zuletzt für schwächere Ölpreise aus. Der Markt ist ihm gefolgt.
Wer verdient nun beim Poker um den Ölpreis?
RETTBERG: Auf der Angebotsseite sind Saudi-Arabien und Russland sowie der Iran und die USA die führenden Akteure. Den größten Verbrauch an Öl und Ölprodukten wie Diesel, Benzin etcetera gibt es in den USA – gefolgt von China und Japan. Die globale Ölproduktion liegt bei rund 95 Millionen Fass pro Tag, was bei heutigen Preisen einem Wert von über 5,7 Milliarden US-Dollar pro Tag entspricht.
Gibt es nur diesen sogenannten physischen Energie-Markt?
RETTBERG: Der Energiemarkt besteht auch aus einem sogenannten künstlichen „Papiermarkt“. Da Rohöl und Ölprodukte auch sehr lebhaft von Banken und Kapitalanlegern sowie anderen Spekulanten an den Finanzmärkten und Börsen dieser Welt in Form von synthetischen Finanzinstrumenten wie Derivaten gehandelt wird, ist der eigentliche tägliche Wert des Handels von Öl & Co. ungleich höher.
In Frankreich gibt es gewalttätige Proteste, weil die Regierung die Steuern auf Treibstoff erhöhte. Wann ist bei uns die Schmerzgrenze erreicht?
RETTBERG: Die Steuererhöhung auf Treibstoff durch die Regierung Macron war zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich keine kluge Entscheidung. Doch bei den Protesten der „Gelbhemden“ geht es aus meiner Sicht nicht nur um das Energiethema, sondern um eine grundsätzliche Ignoranz vieler Bürgerwünsche durch Macron. Jetzt hat die Regierung einen neuen Sozialpakt und Leitlinien auch für die Energiepolitik vorgeschlagen. Mal sehen, was dabei für die Bürger rauskommt. Deutsche Autofahrer haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass es für sie bis zur Schmerzgrenze ein weiter Weg ist.
Was kann die deutsche Regierung tun, um die Autofahrer zu entlasten?
RETTBERG: Wir scheinen ganz gerne zu vergessen, dass Benzin und Diesel 2007 und 2008 wesentlich teurer waren. Damals lag der Rohölpreis bei zeitweise 150 US-Dollar je Barrel – also mehr als zweieinhalb mal so hoch wie heute. Autofahrer haben die Kostenentlastung selbst in der Hand: Weniger fahren, vernünftiger und treibstoff-schonender fahren ist die Devise. Darüber hinaus ist die Regierung aufgefordert, eine vernünftige Politik zu machen und generell die Steuern zu senken. mei