China, der mit Abstand weltgrößte Automarkt, ist schlicht zu wichtig, um nicht Flagge zu zeigen. 27 Prozent aller weltweit verkauften Pkw-Neuwagen finden in China ihre Käufer. Klar, das Messeumfeld könnte besser sein. In den ersten drei Monaten sind die Autoverkäufe in China um 15,5 Prozent auf 5,1 Millionen gesunken und 2019 wird ein weiteres Jahr mit rückläufigem Automarkt werden.
Aber mittelfristig kehrt China wieder auf seinen Wachstumskurs zurück. Das Land und sein Automarkt hat noch viel Wachstums-Potential. Gleichzeitig wird China immer stärker zu einem Sinnbild für die „neue Autoindustrie“. Das Auto von morgen kommt aus China und das spürt man in Shanghai. Auch deshalb darf keiner fehlen.
China steht für die großen Themen der Mobilität
China steht für die großen Themen der Mobilität von morgen. Das Batterie-elektrische Auto hat in China seine Heimat, selbst wenn Tesla in Kalifornien sein Headquarter hat. Tesla hatte im Jahr 2018 weltweit 254.000 Elektroautos verkauft. Marktführer beim batterie-elektrischen Auto in China war im Jahr 2018 der chinesische Autobauer BYD mit 103.260 Verkäufen rein batterie-elektrischer Autos. Insgesamt hat BYD weltweit 247.800 New Energie Vehicles (NEV), also BEV und Plug-In-Hybride, verkauft. Rechnet die 13.600 von BYD verkauften Elektrobusse mit ein, dann war BYD knapp vor Tesla im Jahr 2018 nach der Definition NEV, also batterie-elektrische und Plug-In, mit 261.100 NEV der weltgrößte Elektroautohersteller.
Die Verkäufe der Elektroautos steigen
In diesem Jahr werden aufgrund der Elektroauto-Quote der chinesischen Staatsregierung von 10 Prozent die Verkäufe der Elektroautos (NEV) auf 2,2 Millionen Neuwagen steigen. Längere Wartezeiten für Elektroautos in Deutschland hängen zum Teil auch damit zusammen, dass bei den Autobauern China bei Elektroautos Vorfahrt hat. Die chinesische NEV-Quote wirkt. Im Jahr 2020 werden es mehr als drei Millionen Elektroautos sein, die in China ihren Käufer finden. China ist für das Auto von morgen „der“ Markt.
Kaufgrund Nummer eins ist die Vernetzung der Autos
Der Kaufgrund Nummer eins bei den Chinesen ist „Connectivity“, also die Vernetzung des Autos. In Europa und USA werden spielen heute beim Autokauf noch überwiegend der Motor und das Getriebe die Rolle. Treiber bei der Connectivity sind die chinesischen Kunden. Chinesen sind nahezu unendlich affin für digitale Dienste und Funktionen. Egal ob im Einkaufszentrum, auf dem Gemüsemarkt oder im Taxi – beim Bezahlen greifen die meisten Chinesen anstelle der Geldbörse zum Smartphone. Marktführer beim Bezahlen mit QR-Code sind die Plattformen Alipay und WeChatPay.
850 Millionen Chinesen bezahlen die Taxifahrt, den Einkauf, das Flugticket per App mit dem Smartphone
Der chinesische Konzern, Huawei, keine Staatsfirma, sondern ein privatwirtschaftliches Unternehmen, ist Technologieführer beim der 5G Mobilfunk. Damit ist China heute schon bei wichtigen Bausteinen für das „Auto von morgen“. Technologieführer. Baidu arbeitet mit seiner offenen Plattform Apollo am Roboterauto, das mit großer Wahrscheinlichkeit weltweit zuerst in China seinen Marktdurchbruch feiern dürfte. Zwar ist heute die Technik noch teuer – gut 10.000 Euro werden für die Computer- und Sensor-Technik pro Fahrzeuge geschätzt und bei weitem ist das Roboterauto noch nicht einsatzfähig, aber man sollte davon ausgehen, dass bis zum Jahr 2030 Roboterauto in China in größeren Serien unterwegs sind. Geschwindigkeit ist einer der großen Erfolgsfaktoren der Chinesen.
Weltmarktführer bei der Zelltechnologie
Was für die Digitalisierung gilt, kann vollständig auf die wichtige Lithium-Ionen-Batterie-Zelltechnologie übertragen werden. Weltmarktführer bei der Produktion von Lithium-Ionen-Zellen für Elektroautos war 2018 der privatwirtschaftliche chinesische CATL-Konzern mit 25 Gigawatt produzierten Zellen. Das entspricht fünf Gigafactories von Tesla. 35 Prozent der weltweit produzierten Zellen für Elektroautos kamen von den beiden großen chinesischen Konzernen CATL und BYD. Das Auto von morgen ist ohne China schlicht nicht vorstellbar.
Geely und Great Wall sind die neuen chinesischen Speerspitzen
Was sich bei Batteriezellen und Digitalisierung zeigt, läßt sich auf den Automarkt und die chinesischen Autobauer übertragen. Zwar war 2018 der VW-Konzern mit 4,2 Millionen Fahrzeugverkäufen vor General Motors (GM) mit 3,6 Millionen Neuwagen-Verkäufen noch unbestrittene Marktführer in China, aber die Entwicklung der beiden privatwirtschaftlichen Autobauer Geely und Great Wall zeigt, das neue Selbstbewusstsein der Chinesen. Insgesamt hat Geely mit seinen Marken Geely und Lynk & Co in China ähnlich viele Fahrzeuge verkauft wie der zweitgrößte Autobauer weltweit, Toyota. Weltweit hat im Jahre 2018 die Geely–Holding mit den Marken Geely, Lynk & Co, Volvo, Proton, Lotus mehr als 2,15 Millionen Neuwagen verkauft. Geely wächst immer stärker in seinen Weltverkäufen. Das Unternehmen wurde 1997 gegründet und hat damit in nur 11 Jahren die 2 Millionen Marke überschritten.
Ein beachtliches Niveau erreicht
Ähnliches gilt für Great Wall, die mit 1,04 Millionen Neuwagenverkäufen ein beachtliches Niveau erreicht haben. So wie Great Wall ist Geely Auto – also ohne Volvo – zu mehr als 95 Prozent heute noch auf den chinesischen Markt konzentriert. Damit sind beide im Jahr 2019 von der Marktschwäche des chinesischen Automarkts im 2019 besonders betroffen. Aber beide arbeiten an ambitionierten Export- und Globalisierungsstrategien. Die Autowelt ändert sich mit China.
Neue Machtblöcke im Autogeschäft
China definiert immer stärker das „Auto von morgen“. Das zeigen auch die Kooperationen zwischen Great Wall mit BMW und Daimler mit Geely. Beide Kooperationen könnten zu neuen Machtblöcken im Autogeschäft von morgen werden. BMW arbeitet mit Great Wall beim Mini zusammen, der in seiner wichtigen Elektroversion von Great Wall gebaut wird. Geely hat sich mit Daimler mit dem Joint-Venture für den Smart, der in Zukunft ausschließlich als Elektroauto gebaut wird, zusammengetan.
Staatliche Joint-Venture Partner verlieren Einfluss
Große staatliche Joint-Venture-Partner
Aufgebaut wurde die chinesische Autoindustrie mit den großen staatlichen Joint Venture-Partner, die in der Regel mit mehreren westlichen Autobauern gleichzeitig Werke und Vertriebs Systeme betreiben.Die Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) war mit sieben Millionen Fahrzeugverkäufen im Jahr 2018 der größte chinesische Joint Venture Staatskonzern. Gemeinsam mit den Joint-Venture Partner Volkswagen und GM hat der Verbund 25 Prozent Marktanteil in China. Der SAIC-Marktanteil geht überwiegend auf den Produktionen mit den Joint Venture Partner VW und GM zurück. Die Verkäufe der SAIC Marke Rowe spielen kaum eine Rolle.
Viele Autohersteller sind bei den Joint Ventures vertreten
Nach SAIC folgt mit 14% Verbundmarktanteil Dongfeng Automobile mit den Joint-Venture Partnern, Nissan, Peugeot-Citroen, Honda, Kia und neuerdings auch Renault. First Automotive Works (FAW) in Beijing hat VW, Toyota, Mazda als wichtige Joint Venture Partner und einen Verbundmarktanteil von 12%, vor Changan, die in Chongqing ihr Hauptquartiert haben und mit Ford, Mazda, Suzuki als zentralen Partnern zusammenarbeiten.
Ein klarer und eindeutiger Hinweis
Besonders interessant ist die in China Hauptstadt aufgebaute Beijing Automotive Industry Holding (BAIC), mit der Daimler sein weltweit größtes Mercedes-Pkw-Werk betreibt. Obwohl das staatliche Unternehmen BAIC mit Mercedes in Beijing sein größtes Werk betreibt, hatte die Geely Holding unter Chairman Li Shufu im Jahr 2018 knapp 10 Prozent der Daimler-Aktien übernommen. Geely hatte mehrfach angekündigt, mit Daimler Kooperationsprojekte durchführen zu wollen. Das erste Projekt ist das im März 2019 vereinbarte das Daimler-Geely--Smart Joint Venture. Dies ist ein klarer und eindeutiger Hinweis, dass sich die chinesische Staatsregierung auch in der Autoindustrie von ihrer früheren staatsmonopolistischen Joint-Venture-Politik verabschiedet hat.
Westliche Partner können zusätzliche Anteile erwerben
Seit 2018 können zusätzlich westliche Unternehmen in den Joint-Ventures zusätzliche Anteile, die ihr Gewicht über 50%-Anteile steigern, erwerben. China hat sich im Autogeschäft geöffnet und die Öffnung zeigt eine neue Stärke der Chinesen. Die Öffnung geht einher mit dem Ziel der Chinesen weltweit Technologieführer in der Autoindustrie zu werden. Technologieführer wird man nicht durch staatliche Verordnung, sondern innovative, wettbewerbshungrige Unternehmen. Das sind privatwirtschaftliche und keine Staatsunternehmen.
Umstrittene Industriestrategie von Peter Altmaier
Während in Deutschland Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit seiner höchst umstrittenen Industriestrategie 2030 und den Plänen zum Airbus für Batteriezellen dem alten China versucht hinterher zu laufen, hat China längst die Weichen auf deutliche marktwirtschaftliche Strukturen gestellt. Natürlich baut China seine Infrastruktur, sei es das 5G Internet, Forschungsförderung in beachten Ausmass oder Logistikinfrastruktur mit dem „One Belt – One Road“, mit riesigen Investitionen auf, aber Privatunternehmen wie Huawei, Geely, Alibaba bringen die industrielle Umsetzung. In Deutschland braucht es die Infrastruktur, sei es bei Stromnetzen, Verkehr, Forschungsstätten und eben nicht den Versuch, alten Strukturen, die abgelegt worden sind, hinterher zu trotteln.
Chinas Auto von morgen: SUV und Pick-ups mit Zero-Emissions
Wie stark China das Auto von morgen prägt ist nicht nur an den neuen chinesischen Speerspitzen wie Geely und Great Wall, dem Elektroauto oder den Investitionen in Connectivity und autonomes Fahren zu sehen, sondern auch an den Karosserievarianten, die chinesische Käufer nachfragen. Mehr als 40 Prozent der Neuwagen (vgl. Abb. 5) sind in China sportliche Geländewagen (SUV). Zusätzlich wächst das Segment der Pick-ups. In China wandert die Motorisierung von den Metropolen in die Ränder. genau dort machen SUV und Pick-up Sinn und genau dort kommt das Wachstum morgen zustande. Der Produkt-Mix von Great Wall lag 2018 bei 85% oder 884.000 neuen SUV, bei 14% oder 146.000 Pick-up und noch 13.000 oder einem Prozent der Neuwagen bei den klassischen Limousinen. Sicher ist der Great Wall Mix ein Extrembeispiel, aber er zeigt uns in welche Richtung das neue Auto von morgen geht. Es ist das vernetzte, Zero-Emission SUV – auch das ist eine Botschaft der Shanghai Automesse.
2019 schwieriges China Jahr – aber Optimums bleibt
Das Jahr 2019 wird für die chinesische Autoindustrie ein schwieriges Jahr. In den ersten drei Monaten sind die Neuwagenverkäufe (Light Vehicles) in China um 15,5 Prozent auf 5,1 Mio. Fahrzeuge zurückgegangen. Damit fehlen in den ersten drei Monaten 0,9 Millionen Fahrzeugverkäufe gegenüber dem Vorjahr. Ab April wird wegen einer geplanten Mehrwertsteuer-Senkung eine gewisse Entlastung im Automarkt eintreten. Aber das Gesamtjahr 2019 wird negativ bleiben, so unsere Prognose.
Über 22 Millionen Neuwagen werden 2019 in China verkauft
Nach unserer Prognose werden im Jahr 2019 in China 22,32 Mio. Neuwagen (light Vehicles) verkauft werden. Das sind 1,1 Millionen Neuwagen weniger verkauft als im Jahre 2017. Berücksichtigt man, dass im chinesischen Markt in den letzten Jahren mit kontinuierlichem Wachstum von jährlich fünf Prozent geplant wurde, ergibt sich für 2019 eine Überkapazität von nahezu fünf Millionen Neuwagen. Fast 19 Prozent der Produktionskapazitäten in China wären danach im Jahr 2019 „ungenutzt“. Mittelfristig kehrt der chinesische Automarkt wieder auf Wachstumskurs zurück.
Knick im Automarkt ist 2021 überwunden
Der durch US-Präsident Trump verursachte Knick im chinesischen Automarkt ist 2021 überwunden. Das Überkapazitäts-Problem ist nach 2022 dann „gelöst“. Die Zollkriege des US-Präsidenten Donald Trump haben China und den Weltautomarkt in die Rezession getrieben. Getrieben wird der Rückgang durch China. Der Markt wird auf 22,2 Millionen Neuwagen sinken. Die Autobauer und Zulieferer müssen 2019 mit Überkapazitäten und hohen Incentives im chinesischen Automarkt rechnen. Gleichzeitig müssen mit erheblichen Investitionen die knapp 2,3 Millionen NEV auf die Straße gebracht werden. Da die Elektroautoprämien deutlich reduziert wurden müssen die Autobauer in China ihre NEV „subventionieren“. Nach 2022 werden wir das nach den EU Regulierungen auch in EU-Europa erleben. Elektroautos werden preisgünstiger ohne staatliche Subventionen, weil die Autobauer unter Verkaufsdruck stehen.
Wirtschaft wieder zu höherem Wachstum bringen
Die Staatsregierung in China wird mit Macht versuchen wird, die Wirtschaft wieder zu höherem Wachstum zu bringen – trotz USA und seinem Präsidenten Trump. Die Senkung der Mehrwertsteuer im April ist eine erste Aktion. China wird ab 2020 wieder seinem alten Wachstumsmuster zurückkommen. Nach unserer Prognose wird im Jahr 2023 der chinesische Automarkt erneut ein „ever high“ erzielen und 2025 man knapp unter 27 Millionen verkauften Neuwagen liegen. Die Botschaft von Shanghai lautet also auch, der „Durchhänger“ ist kurzfristig. Ab 2020 kommt die Wachstumsmaschine China wieder in Tritt.
Fazit: Vier Botschaften aus Shanghai
Shanghai ist im Gegensatz zu den „alten“ Automessen eine spannende Autoshow mit noch spannenderen Botschaft. Die Botschaft Nummer 1 lautet, China fasst wieder Tritt. Die Botschaft Nr. 2 lautet, China wird Technologieführer in Autogeschäft. Botschaft Nummer 3 sagt – wir sind als Markt so groß, dass niemand wird mehr an uns vorbeikommen wird, also setzen wir die Regeln. Botschaft Nummer 4 lautet: Aus China kommt das „neue Auto“. Mehr Spannung kann eine Messe nicht liefern.
Ferdinand Dudenhöffer