Aus meiner Sicht geht es für die Sozialdemokratie ums Ganze. Es hängt von unserer Fähigkeit zur Transformation ab, ob wir weiterhin ein entscheidende Rolle in der Politik spielen werden. Transformation - das ist viel mehr als die gefakte „Erneuerung“ von Berlin. Dazu gehört, dass wir unsere Entscheidungsprozesse, die Beteiligungsformen und die Art wie wir als SPD Politik praktizieren oder denken verändern.
Oft wirft man uns vor keine große Idee zu haben, kein Ziel für das wir kämpfen. Unser Frankfurter Projekt – die Stadt für alle – ist klar, spendet Hoffnung und begeistert Menschen wie die Wiederwahl von Peter zeigt. Und mit den Anträgen heute und morgen entwickeln wir unsere Idee auch immer weiter.
Gute Ideen kommen nicht „von oben“, sie kommen aus der Mitgliedschaft und der Bevölkerung
„Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen können wir nur selber tun!“ heißt es in der Internationalen und doch scheint es, als hätten wir die Bedeutung dieser Worte vergessen. „Mehr Demokratie wagen!“ hieß es früher und ich sage, dass braucht auch die SPD im Inneren. Die Sozialdemokraten waren immer Vorkämpfer der Demokratie, von der innerbetrieblichen Mitbestimmung bis zum Frauenwahlrecht.
Erster Schritt zu mehr Basisbeteiligung
Vielen Genoss*innen haben mit dem Arbeitskreis Parteireform einige erste Ideen entwickelt. Ich selbst habe hier mitgearbeitet und möchte die Basis in Satzung, Gremien und Parteiarbeit weiter stärken. Für mich sind diese der erste Schritt zu mehr Basisbeteiligung. Für die Zukunft erwarte ich mir mehr, denn viele gute Ideen sind im Vorstand nicht durchgekommen.
Arbeit lastet auf wenigen Schultern
Nach verloren Wahlen heißt es immer „Berlin und die GroKo“ sind schuld. Da ist sicher auch etwas dran. Ich war gegen beide Große Koalitionen und viele Wähler offensichtlich auch. Aber die strukturellen Schwächen unserer Parteien zeigen sich auch in Frankfurt. In vielen Ortsvereinen lastet die Arbeit auf zu wenigen Schultern. Aber die Zahl der Aufgaben, der Veranstaltungen, Wahlkämpfe oder Sitzungen bleibt gleich. Wir müssen mehr Menschen für die Mitarbeit in unserer Partei gewinnen. Deswegen möchte ich in den nächsten zwei Jahren eine Mitgliederwerbekampagne anstoßen und die Integration in die Ortsvereinsarbeit durch Seminare und ein Patenprogramm unterstützen.
Bürger wollen keine Sonntagsreden
Mitglieder wie auch Bürgerinnen und Bürger wollen kein „Partizipationsgefühl“ oder schöne Sonntagsreden. Sie möchten selbst beteiligt werden und mitreden. Auch in Frankfurt müssen wir stärker als bisher mit Initiativen wie dem Rad- oder Mieter*innenentscheid zusammenarbeiten. Vielleicht müssen wir sie auch selbst anstoßen. Beispielsweise schlage ich bei der Diskussion um die städtischen Bühnen einen Bürgerentscheid vor.
Reformen kommen ein Jahrzehnt zu spät
Wir brauchen mehr bundes- und landespolitische Debatten. Die über 160 Anträge beim diesjährigen Parteitag zeigen: Die SPD Frankfurt strotzt voller guter Ideen. Manchmal hat man jedoch den Eindruck, dass so etwas in Berlin kaum ankommt. Auch wenn hier noch einiges fehlt: An den Sozialstaatsreformen und den Rentenreformvorschlägen ist einiges gut gelungen. Ihr größter Fehler ist allerdings, dass sie ein Jahrzehnt zu spät kommen. Wir müssen uns als Frankfurter stärker einmischen und unseren Teil dazu beitragen die SPD aus ihrer bundes- und landespolitischen Krise zu reißen. Eine selbstbewusste SPD muss sich aus der großen Koalition, der unbeliebtesten Regierung seit 1949, lösen und zu ihren Wurzeln zurückfinden.
Helmut Scheer war seiner Zeit voraus
Soll die Sozialdemokratie eine Zukunft haben, muss sie sich fundamental verändern. Zu einer Transformation gehört ihre Gesichter zu ändern, neue Menschen für Mitgliedschaft oder Kooperation gewinnen und sich strukturell wie programmatisch an die Welt im Jahr 2019 anpassen. Hermann Scheer war seiner Zeit oft Voraus. Seine Analyse auf dem Bundesparteitag 2009 – vor inzwischen 10 Jahren – trifft den Punkt auch heute sehr gut. Lino Leudesdorff