Die Politik, allen voran Deutschland und Frankreich, fordere nun einer Lockerung des EU-Wettbewerbsrechts und die Schaffung »europäischer Champions«. Ist die Fusionskontrolle wirklich ein Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen?
- Nach Ansicht von Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, habe der Schutz des Wettbewerbs im Europäischen Binnenmarkt bisher gut funktioniert. Dass nationale Regierungen durch eine weitere Lockerung der Fusionskontrolle zu sachgerechteren Entscheidungen kämen, sei wenig wahrscheinlich. Ziel europäischer Politik sollte nicht die Abschottung der europäischen Märkte gegenüber internationaler Konkurrenz, sondern die Öffnung der ausländischen Märkte sein.
- Auch Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission und Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, sieht den "Schlüssel zum Umgang mit dem chinesischen Staatskapitalismus" in der Außenwirtschaftspolitik. Deutschland müsse im Interesse seiner Wirtschaft auf die Beseitigung bestehender Ungleichheiten und Benachteiligungen hinwirken.
- Massimo Motta, Universitat Pompeu Fabra, und Martin Peitz, Universität Mannheim, unterstreichen, dass die gegenwärtigen wettbewerblichen Bestimmungen der Bildung von nationalen und europäischen Champions nicht im Weg stehen. Zudem seien europäische Firmen auf Nicht-EU-Märkten erfolgreich, wenn sie einfachen Zugang zu diesen Märkten hätten. Dies erfordere insbesondere wachsame und unabhängige Wettbewerbsbehörden.
- Nach Ansicht von Klaus-Heiner Röhl und Christian Rusche, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, schafft eine industriepolitisch geförderte Bildung europäischer Champions mehr Probleme, als sie zu lösen verspricht. Insgesamt sei die Fokussierung auf Großunternehmen und ihr gewünschter Aufbau zu europäischen Champions ein nicht zielführender Versuch, die Wettbewerbsposition der deutschen und europäischen Industrie gegenüber ihren Konkurrenten zu stärken, und ginge zu Lasten der großen Mehrheit kleiner und mittlerer Unternehmen sowie zu Lasten der kleineren europäischen Länder.
- Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Düsseldorf, sieht einige gute Argumente für industriepolitische Ideen. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass Champions herangezüchtet werden, die Partikularinteressen einzelner Unternehmen befördern, ohne eine gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsverbesserung zu erreichen.
- Guntram B. Wolff, Bruegel, sieht weniger in der Änderung der europäischen Wettbewerbspolitik und einer Lockerung der Fusionskontrolle eine Möglichkeit, dass EU-Unternehmen weltweit relevant bleiben können. Die Europäische Union müsse vielmehr ihren Binnenmarkt und ihre Kapitalmärkte stärken sowie die Forschungs- und Entwicklungsausgaben erhöhen.
- Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V., weist darauf hin, dass die »Nationale Industriestrategie 2030« zu einseitig auf Großunternehmen abziele und eine überfällige Mittelstandsstrategie vernachlässige.
- Nach Meinung von Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, werden »europäische Champions« nicht durch wettbewerbsbeschränkende Fusionen geschaffen. Mit europäischen Monopolisten verhielte es sich am Ende nicht anders als mit außereuropäischen: Sie führten in aller Regel zu Preissteigerungen, Ineffizienz, weniger Innovation, Arbeitsplatzverlusten und Wohlstandseinbußen. pm, ifo