Herr Brenke, das Einwanderungsgesetz ist nun Realität geworden. Was ändert sich jetzt eigentlich?
KARL BRENKE: Nichts, auch wenn das ganze nun Einwanderungsgesetz heißt. Die SPD wollte dieses Gesetz und die CDU hat ihr dieses Zugeständnis als Partner in der großen Koalition gemacht. Eigentlich haben wir schon alles, was die „Einwanderung“ von Arbeitskräften angeht. Es gibt die Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der Europäischen Union, es gibt Richtlinien für Hochqualifizierte, die zu uns kommen können und sogar eine sogenannte Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit, die es möglich macht, dass auch Menschen aus Drittländern, die eine Ausbildung unterhalb des Hochschulniveaus mitbringen, zu uns kommen können.
Also hätte sich die große Koalition das Einwanderungsgesetz sparen können?
BRENKE: Es war nicht notwendig. Die GroKo hat ein überflüssiges politisches Signal gesetzt.
Aber warum bringt die Bundesregierung ein „überflüssiges“ Gesetz auf den Weg?
BRENKE: Das liegt an einem grundlegenden Problem. Die Politik vermittelt den Menschen bei dem Facharbeitermangel das Gefühl, dass um Deutschland eine große Mauer gebaut ist und keine Arbeitskraft aus dem Ausland zu uns kommen könnte. Dem ist aber ganz und gar nicht so. Wir haben einen großen europäischen Arbeitsmarkt mit vielen qualifizierten Arbeitslosen und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Hier hätten die Unternehmen schon längst geeignete Arbeitskräfte suchen und finden können. Aber man hat sich lieber auf das Klagen verlegt.
Jetzt setzen die Unternehmen offenbar auf Arbeitskräfte aus Drittländern ...
BRENKE: ... Wenn das so sein sollte, kann ich mir schwer vorstellen, dass Arbeiter aus Entwicklungsländern wie Pakistan und dem Irak kommen und in Deutschland die sogenannte Facharbeiterlücke schließen.
Gibt es denn unter diesem Umständen überhaupt einen Fachkräftemangel in Deutschland oder ist das eine Fata Morgana?
BRENKE: Bei uns gibt es keinen flächendeckenden Facharbeitermangel. Es gibt aber einzelne Branchen, die davon betroffen sind. Ich denke hier zum Beispiel an die Pflege und die Gastronomie. Letztlich ist der Facharbeitermangel aber hausgemacht, denn die Unternehmen sind für die Ausbildung der Facharbeiter zuständig. Das haben sie aber offenbar nicht im genügenden Maße getan.
Wie viele Fachkräfte fehlen denn jetzt?
BRENKE: Hierzu gibt es keine verlässlichen und soliden Zahlen.
Was gilt es jetzt gegen das Problem Fachkräftemangel zu tun?
BRENKE: In Bayern und BadenWürttemberg fehlen derzeit Lehrlinge, in Berlin gibt es dagegen einen Lehrstellenmangel. Sinnvolle wäre es jetzt die regionale Mobilität bei den potenziellen Auszubildenden zu fördern. Natürlich müssen die jungen Menschen in dieser Hinsicht auch Flexibilität an den Tag legen. Wichtig ist außerdem dass Berufe aufgewertet werden, in denen Nachwuchsmangel herrscht. Und zwar durch höhere Vergütungen und bessere Arbeitszeiten. Wer sieht schon in einem Beruf eine Perspektive, bei dem ein karges Lehrlingsgehalt von einem niedrigen Lohn nach der Ausbildung abgelöst wird.
Ist das alles, um künftige Fachkräfte zu bekommen?
BRENKE: Die Unternehmen müssen den jungen Leuten etwas bieten. Da hilft es nicht, wenn man die hohen Mieten im Rhein-Main beklagt und die dafür verantwortlich macht, dass Jugendliche keine Ausbildung antreten können. Besser wäre es Werkswohnungen zu bauen, wo Auszubildende preiswert wohnen können.
Werden durch das neue Einwanderungsgesetz denn die Unternehmen motiviert, zum Beispiel Werkswohnungen zu bauen, damit sie attraktiv für die künftige Generation von Facharbeitern sind?
BRENKE: Ich glaube nicht, dass durch das neue Gesetz die Facharbeiterlücke durch hochqualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland geschlossen wird. Bei diesem ganzen Thema ist viel Politik und Wichtigtuerei im Spiel. mei