Deutschland unterstützt Frankreich gegen den IS. Kommentatoren kritisieren die unübersichtlichen Frontlinien im Syrienkrieg. Wer kämpft hier gegen wen und mit wem?
MICHAEL ROTH: Das gemeinsame Anliegen aller, die sich der Anti-IS-Koalition angeschlossen haben, ist der Kampf gegen diese Mörderbande. Dabei sollten sich alle Beteiligten darüber im Klaren sein, dass der IS militärisch nicht zu besiegen ist, sondern es weiterer Mittel bedarf, die Terrororganisation auszuschalten. Hierzu gehört zum Beispiel, dass dem IS die finanziellen Grundlagen entzogen werden. Wir müssen uns auch kulturell mit dem IS auseinandersetzen und der Organisation damit die ideologische Grundlage zu nehmen.
Wird es über den Tornado-Einsatz und der Entsendung einer Fregatte weitere Hilfen für Frankreich im Kampf gegen den IS geben?
ROTH: Schon jetzt unterstützen wir unsere französischen Partner in vielerlei Hinsicht. Wir werden ebenfalls bis zu 650 Soldatinnen und Soldaten nach Mali entsenden. Ich erinnere an unsere militärische Unterstützung für die kurdischen Peschmerga, die auch gegen den IS kämpfen. Insofern vermag ich Kritik, die von einigen geäußert wird, Deutschland würde sich im Kampf gegen den IS „wegducken“ nur als abenteuerlich bezeichnen. Wer der Meinung ist, man müsse nun Bodentruppen entsenden, liegt falsch. Es gibt derzeit kein Land, das Bodentruppen entsenden möchte.
Frankreich sucht im Krieg gegen den IS das Bündnis mit Russland. Ist das der richtige Weg?
ROTH: Ohne Russland wird es im Syrien-Konflikt keine Lösung geben. Deshalb ist es wichtig, Russland als Partner mit an Bord zu haben. Wichtig ist aber auch, dass wir an dieser Stelle nicht unterschiedliche Konflikte miteinander vermengen. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim muss auch weiterhin sanktioniert bleiben.
Ihr Parteifreund und ehemalige Vize-Kanzler, Sigmar Gabriel, hat den türkischen Staatspräsidenten Erdogan nach dem Abschuss des russischen Kampfjets an der türkisch-russischen Grenze als „Spieler“ bezeichnet. Hat sich die Türkei damit als unberechenbarer Partner erwiesen?
ROTH: Wir brauchen die Türkei als wichtigen Partner sowohl im Kampf gegen den IS als auch in der Flüchtlingspolitik. Selbstverständlich akzeptieren wir die Regierung, die in der Türkei in die politische Verantwortung gewählt wurde und arbeiten mit dieser zusammen. Darüber hinaus ist die Türkei eine wichtige Regionalmacht und viele Deutsche haben ihre Wurzeln in der Türkei. Rund drei Millionen türkeistämmige Bürgerinnen und Bürger leben in unserem Land. Gleichzeitig wissen wir auch, dass die Türkei derzeit noch weit von einer EU-Mitgliedschaft entfernt ist. Der aktuelle Fortschrittsbericht der EU-Kommission listet eine Reihe von Defiziten auf, die von der Türkei dringend behoben werden müssen. Ich erinnere nur an die eingeschränkte Medienfreiheit.
Blick auf Frankreich. Hier stehen in dieser Woche Regionalwahlen an, bei denen der Front National mit einem guten Ergebnis rechnen darf. Welchen Stellenwert räumen Sie dem FN ein?
ROTH: Der FN ist eine nationalpopulistische, in Teilen rechtsextremistische und antisemitische Partei, die darüber hinaus noch europafeindlich ist. Deshalb hoffe ich, dass möglichst viele Französinnen und Franzosen erkennen, dass die Regierung des Präsidenten Hollande die besseren Antworten auf die aktuellen Probleme Frankreichs zu bieten hat. Marine Le Pen und der FN wollen, wie viele rechtspopulistische Parteien in Europa, mit einfachen Antworten komplexe Probleme lösen. Das kann nicht funktionieren. Präsident Hollande gaukelt den Menschen dagegen nichts vor.
Deutschland und Frankreich sind die wichtigsten Partner in Europa, ohne die sich in der EU nicht viel bewegen würde. Trotzdem gibt es hin und wieder zwischen beiden Ländern Diskussionsbedarf wie Im vergangenen Sommer, als die französische Regierung den Deutsch-Unterricht an den Schulen zurückfahren wollte …
ROTH: …beide Länder sind sich doch darüber einig, dass es besonders wichtig ist, die Sprache des Nachbarlandes zu lernen. Hierüber gibt es zwischen uns keine unterschiedlichen Auffassungen. Als wichtigster Partner in der EU und auf Grund der gemeinsamen Geschichte, in der aus Erzfeinden Freunde wurden, ist es unerlässlich, dass Sprachbarrieren nicht entstehen und möglichst viele Menschen die Sprache des Anderen lernen. Genau dazu haben wir uns seit den Elysee-Verträgen vor über 52 Jahren verpflichtet. mei