Sicherheitsdoktrin spielt wichtige Rolle

Herr Bobi, waren sie überrascht, als Sie fuhren, dass das tunesische Dialogquartett für den Friedensnobelpreis auserkoren wurde?

 

EMIL BOBI: Es war zu erwarten, dass diesmal jemand auserkoren wird, der politisch, wie Barack Obame vor einigen Jahren, nicht angreifbar ist. Wie die meisten anderen Preisträger erfüllt auch das tunesische Dialogquartett nur am Rande die Intentionen Nobels. Aber daneben gelegen hat das Komitee mit den Preisträgern nicht.

 

Angela Merkel war auch ein heißer Kandidat für den Nobelpreis ...

 

BOBI: ... sie kam zu spät ins Gespräch. Thematisch hätte sie vor dem Hintergrund ihrer Ukraine- und Flüchtlingspolitik für den Preis gepasst. Aber letztlich hat noch kein Buchmacher den Friedensnobelpreisträger voraussagen können.

 

Welche Intention verfolgte Alfred Nobel mit seinem Friedensnobelpreis?

 

BOBI: Herr Nobel nannte das gar nicht Friedenspreis, das haben andere erfunden. Er wollte sein Geld an Menschen verteilt wissen, die erfolgreich stehende Armeen reduziert oder abgeschafft, internationale Vertrauensdiplomatie betrieben und Friedenskongresse ausgerichtet haben und nicht bloß „Gutes“ getan oder einfach nur prominent sind. Nobel hielt allgemeinen Wohlstand für eine Grundvoraussetzung für den Weltfrieden und so hat er die wissenschaftlichen Preise gestiftet, die durch Erfindungen und Entdeckungen diesen Wohlstand ermöglichen sollten. Also sind alle seine Preise Friedenspreise, nur der Friedenspreis nicht. Der ist einer für Abrüstung.

 

 Was ist aus dem Preis „geworden“ und welchen Stellenwert genießt er heute?

 

BOBI: Geworden ist daraus ein Preis für alles das, was die politischen Ideologen im Preiskomitee im Sinne der norwegischen Sicherheitsdoktrin für sinnvoll halten und ihre politisch-militärischen Partner nicht vor den Kopf stößt. Als Nato-Mitglied empfindet man den naiven „die Waffen nieder“-Frieden des Alfred Nobel für gefährlichen Unsinn. Das ist legitim, doch missachtet man die testamentsrechtlich bindende Pflicht der Umsetzung seines letzten Willens. Der Stellenwert des Preises ist ungebrochen riesig.

 

Trifft das Nobelpreiskomite unabhängige Entscheidungen oder folgt es politischen Grundlinien?

 

BOBI: Das sind keine unabhängig denkenden Friedensexperten, sondern nach dem Proporz-System von den Parlamentsparteien entsendete, entsprechend ideologisch determinierte Personen. Im Komitee sitzen also die politischen Parteien und mit ihnen die norwegische Außenpolitik. 

 

 Welche Persönlichkeiten/Organisationen dürften ihrer Ansicht nach keinen Friedensnobelpreis erhalten?

 

BOBI: Alle, die keine Armeen abgeschafft, keine „Verbrüderung von Nationen“ bewerkstelligt haben und keine Friedenkongresse ausgerichtet haben. Also fast alle, die den Preis bisher bekommen haben.

 

 Gibt es Personen/Organisationen die bei der Preisvergabe ausgeklammert werden?

 

BOBI: Viele. Es ist zum Beispiel oft ein politischer Stellvertreter-Preis, mit dem man die Gegner seiner Feinde auszeichnet, um auf die Feinde zu schießen wie Russland oder China. Das Friedenspreiskomitee selbst ist politisch linksliberal. Das mag sympathisch sein, doch Herr Nobel hat sie nicht darum gebeten, Politik zu machen.

 

 Wie ist die Nobelstiftung strukturiert, wie funktioniert sie?

 

BOBI: Sie ist ein sehr erfolgreiches Investmenthaus, dass das Kapital Nobels vermehrt und verwaltet, auf höchstem organisatorischen Niveau agiert, aber keine Preisentscheidungen trifft. Sie ist zwar nicht dafür verantwortlich, wer den Preis enthält, doch dafür, dass er der Richtige ist, also den testamentarischen Kriterien Nobels entspricht, weil die Stiftung es ist, die die Preisgelder auszahlt. Geld an einen falschen Kandidaten bedeutet Missbrauch von Stiftungsgeldern. Deshalb wollen sie jetzt, wo eine Klage bevorsteht, nicht mehr für die Entscheidungen insbesondere des Friedenspreises verantwortlich sein und behaupten, wegen der Unabhängigkeit der Komitees keine Kontrollgewalt zu haben. Sie haben aber die Kontrollpflicht und wenn sie der nicht nachkommen, agieren sie illegal. Das wird noch heiß werden in nächster Zeit.

 

Was sind Ihre Hauptkritikpunkte an den Nominierungspraktiken?

 

BOBI: Man hat den Preis politisch okkupiert. Wenn Norwegen keine pazifistische Sicherheitsdoktrin will, ist das völlig legitim, aber dass man nicht in der Lage ist, trotzdem einen Preis im Sinne des Stifters zu vergeben, ist schon etwas kleingeistig. In Wahrheit vergibt das Komitee unsterbliches Ansehen. Man inszeniert sich im Licht der Weltprominenz und tut so, als müsste man den Willen Alfred Nobels erst (in ihrem Sinne) interpretieren, weil Nobel nicht wusste, was er redet.

 

 Was sollte geändert werden?

 

BOBI: Es ist nicht meine Aufgabe den Friedenspreis zu ändern. Viele Experten verlangen, dass sich die Politik zurückzieht und internationale Friedensexperten im Vergabegremium sitzen sollten.

 

Warum passt Edward Snowden nicht in das Nobelpreis-Raster?

 

BOBI: Herr Snowden wäre ein Wunschkandidat der Preisvergeber, weil er seit Jahren weltweite Publizität genießt, was ein wichtiges Kriterium dafür ist, dass der Preis seine Bedeutung erhält, obwohl Snowden natürlich auch keine Nobel-Kriterien erfüllt. Doch ist er als Preisträger undenkbar, weil sonst der große, starke Sicherheitsverbündete USA brüskiert wäre, weil Snowden dort ja als Verbrecher gilt. mei

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