Der 39-Jährige verwahrt sich im Gespräch gegen solche Vorurteile. „Die Milieus, in denen Muslime auch in Hessen leben, sind einfach zu unterschiedlich, um sie alle über einen Kamm zu scheren“, sagt Benli und macht darauf aufmerksam, dass in Hessen 25 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund hätten. Daraus zieht Benli den Schluss, dass rund 1,5 Millionen Menschen keinen „einen Block“ bilden könnten.
Er verweist dabei auf seinen eigenen Werdegang. Ein Beispiel gelungener Integration, wie unschwer zu erkennen. Die Vita der Familie Benli im Stenogramm: Ihre Wurzeln liegen in Zentralanatolien. Sein Vater kommt Ende der 1960er-Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland. Er findet arbeitet in der Stahlindustrie in Salzgitter und später bei der Bahn in Frankfurt. Im Jahr 1971 holt Benlis Vater seine Frau nach. Später lässt sich die Familie in Idstein nieder.
Die Eltern fördern die Bildung der Kinder
Benli hat noch drei Geschwister. Seine Eltern, obwohl nicht gerade begütert, betrachten „Bildung als Kapital“. Vielleicht wissen sie auch aus eigener Erfahrung wie wichtig Bildung sein kann. „Meine Mutter kam als Analphabetin nach Deutschland und mein Vater mit einer Grundschulausbildung“, erzählt Benli. Die Eltern fördern die Bildung ihrer Kinder. Mit Erfolg. Benli macht in Idstein Abitur und entscheidet sich für den Weg in den Polizeivollzugsdienst. Das ist im Jahr 1998. Als er seine Ausbildung beendet, steht der 11. September 2001 vor der Tür. Dieser Tag, an dem islamische Terroristen das World Trade Center in New York mit gekaperten Passagierflugzeugen zum Einsturz bringen und dabei über 3000 Menschen sterben, wird den weiteren Berufsweg Benlis bestimmen.
Das Studium ist ein Stipendium
Als türkischer Staatsbürger bringt er die genügende persönliche „Authenzität“ mit, um das Phänomen Islam auch für die Polizei näher zu beleuchten. Nach dem „11. September“ sind die Sicherheitsbehörden davon überzeugt, dass solches Wissen unabdingbar ist. Was für Benli später folgt, ist ein Studium der Islam- und Politikwissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Für ihn, der nach dem Abitur eigentlich vom Lernen genug hatte, ist das Studium quasi ein „Stipendium“ und einmal mehr der Beweis dafür, dass man in Deutschland mit dem Willen zur Bildung immer auch eine Förderung erfährt.
Dass nach dem erfolgreichen Abschluss seines Mainzer Studiums,
Folgerichtig zum Thema Migration
Wie Benlis weiterer Berufsweg in der polizeilichen Verkehrsprävention weitergeht, war abzusehen. Dieser führt ihn fast folgerichtig zum Thema „Migration“. An der „Schnittstelle“ zwischen „Polizei und Migranten“ spielt sich Benlis Berufsleben auch heute noch als Landesmigrationsbeauftragter. Im Vergleich zu den Migrationsbeauftragten in den hessischen Polizeipräsidien beschreibt Benli seinen Job als „unspektakulär“. So bereitet er aktuell Fortbildungsprogramme für seine Kollegen vor und unterstützt die Hessische Polizeiakademie in Sachen interkultureller Kompetenz.
Straftaten im familiären Umfeld
Die „Zielgruppe“ der Migrationsbeauftragten finden diese in sogenannten prekären Migrantengruppen. Benli beschreibt sie so: Diese Personengruppen hätten kein oder kaum Vertrauen in deutsche Behörden, hätten Sprachprobleme und zeigten auch das eine oder andere Mal „abweichendes Sozialverhalten“. Über Moscheevereine versuchen die Migrationsbeauftragten den Kontakt zu diesen Gruppen aufrecht zu erhalten. Vorwiegend würden sich dort Muslime der ersten Generation aufhalten. Ihnen gegenüber präsentiere sich die Polizei als „Freund und Helfer“ , „bürgerorientiert“ und „präventiv“. Die Migrationsbeauftragten helfen ihren „normalen“ Polizeikollegen darüber bei „Kriseninterventionsfällen“, wie beispielsweise bei Straftaten im familiären Umfeld von Migranten.
Dann kommt der Kollege vom Staatsschutz ins Spiel
Benli grenzt seine und die Arbeit seiner Kollegen strikt von radikal-islamistischen Umtrieben ab. Hierunter fallen zum Beispiel radikal-salafistische Aktivitäten oder sogenannte Hassprediger. In diesen Fällen komme sein Kollege vom Staatsschutz ins Spiel, der für das Feld der politischen Kriminalität zuständig sei. Diese Fälle seien nämlich mit den Möglichkeiten eines klassischen Migrationsbeauftragten nicht zu lösen, so Benli.
Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien machen weniger Probleme
Dass das Thema Migration die deutsche Gesellschaft noch lange beschäftigen werde, darüber ist sich Benli sicher. „Rund 80 Prozent der aktuellen Flüchtlinge kommen aus islamischen Ländern“, so der Migrations-Experte, der festgestellt hat, dass die „Wertehaltung“ jedes einzelnen Flüchtlings darüber entscheidet, wie dessen Integrationsfähigkeit ist. So machten Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien „weniger Probleme“, als zum Beispiel die Migranten, die beispielsweise vom Balkan und dem Kosovo kämen. Letztere kämen nämlich aus „anderen Gründen“ nach Deutschland und nicht als Bürgerkriegsflüchtlinge.
Migrationsbeauftragter rennt nicht überall offene Türen ein
Doch das weiß Benli auch, mit seiner Aufgabe, die er tendenziell auch „sozialarbeiterisch“ interpretiert, rennt er nicht überall offene Türen ein. Auch bei den eigenen Kollegen. Nicht wenige meinten nämlich, dass es die Aufgabe der Migranten wäre, sich zu „integrieren“. Benli zeigt Verständnis für solche Ansichten, denn vielfach seien das Kollegen, die an Kriminalitätsschwerpunkten arbeiteten und dort vielfach mit kriminellen Migranten und Flüchtlingen konfrontiert würden. mei