Der Fachkräftemangel ist vielfach hausgemacht

Vielen Unternehmen und öffentlichen Arbeitgebern gehen die Fachkräfte aus. Der Markt für Pfleger, Erzieher, Grundschulleher und Mechatroniker etwa ist wie leergefegt – und spitzt sich durch Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag weiter zu.

 

Fachkräftemangel ist in Hessen zwar kein generelles Problem, trifft manche Branchen und Regionen aber besonders hart. Experten sehen die Ursachen in Versäumnissen aus der Vergangenheit, weisen aber auch auf schlechte Rahmenbedingungen hin. 

 

Das Beispiel Pflege

 

Beispiel Pflege: Die große Koalition hat sich auf 8000 neue Stellen verständigt, um dem Notstand in der Pflege Einhalt zu gebieten. Diese Zahl ist nach Einschätzunge des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein in Hessen würden in den nächsten Jahren 8000 neue Pflegekräfte gebraucht, sagt der hessische DGB-Vorsitzende, Michael Rudolph. Auf dem Arbeitsmarkt sei diese große Zahl an Fachkräften für die Pflege aber gar nicht zu finden.

Zu sehr leider der Beruf unter struktukturellen Problemen: niedrige Löhne und schwierige Arbeitsbedingungen.

 

 

 

Auch bei Grundschullehrern liegt einiges im Argen

 

Auch bei Hessens Grundschullehrern liegt einiges im Argen. Schon jetzt können in Hessen nicht mehr alle freien Stellen besetzt werden. Das Manko: Grundschullehrer werden hierzulande im Vergleich zu anderen Lehrern und Kollegen in anderen Bundesländern deutlich schlechter bezahlt. Erschwerend kommt hinzu, dass es für sie fast keine Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Diese Umstände hielten viele Studenten davon ab, Grundschullehrer zu werden, so Rudolphs Fazit. 

 

Das Beispiel Erzieher

 

Weiteres Beispiel: Erzieher. Die werden in Hessen gleichfalls händeringend gesucht. Auch hier stimmten die Rahmenbedingungen nicht. So bekommen künftige Erzieher in ihren ersten drei Ausbildungsjahren keine Vergütung und die „Lehrzeit“ kann bis zu fünf Jahre dauern. Hinzu kommen schlechte Bezahlung bei steigenden Anforderungen.

Doch nicht nur in der Pflege sowie bei Lehrern und Erziehern müssen Stellen unbesetzt bleiben. Im öffentlichen Dienst fehlt es auch in anderen Berufsgruppen an Fachkräften. „In den nächsten zehn bis zwölf Jahren geht die Hälfte der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in den Ruhestand“, sagt Heini Schmitt, Chef des hessischen Beamtenbundes. Zu diesem Zeitpunkt scheide nämlich die Baby-Boomer-Generation in Hessens Beamtenschaft aus dem Arbeitsleben aus. Das sind dann rund 72.000 Mitarbeiter. 

 

Für das Heer der Pensionäre gibt es kaum Nachrücker

 

Doch die Nachrücker für das Heer der Pensionäre stünden bei weitem noch nicht vor der Tür. Die Politik sei, wie zu oft, zu spät aufgewacht. „Das Fachkräfteproblem hätten die Politiker schon längst erkennen müssen“, so Schmitt. Aber die Politik denke nur in Legislaturperioden. Erschwerend käme in Hessen noch hinzu, dass die Landesregierung die „Schuldenbremse“ wie ein „Mantra“ vor sich her trage, mit der Folge, dass im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren viel Personal eingespart wurde. Kurz vor der Landtagswahl im Herbst vollziehe die Politik nun einen „radikalen Schwenk“ und stocke das Personal in der öffentlichen Verwaltung auf. Das widerum habe zur Folge, dass – etwa bei der Polizei – auf Grund der hohen Zahl an „Azubis“ die Ausbildung leide.

 

Der Mangel ist branchenspezifisch

 

Frust schieben auch die hessischen Unternehmer. „Fachkräftemangel wird bei ihnen zu einem immer größeren Problem. Viele Firmen müssen inzwischen im Durchschnitt 100 Tage länger als gewünscht nach geeigneten Bewerbern suchen, 20 Tage oder ein Viertel Jahr länger als noch vor fünf Jahren“, sagt Stefan Hoehl, Geschäftsführer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik beim Verband hessischer Unternehmerverbände (VhU). Der Mangel sei allerdings branchenspezifisch: Vor allem technische Berufe wie die Mechatronik und Softwareentwicklung sowie Handwerk und Baugewerbe seien von Fachkräfteengpässen betroffen, aber auch Berufskraftfahrer und Gesundheitsberufe.

 

Der Mangel betrifft nicht alle Branchen

 

Für die Wirtschaft insgesamt müsse angesichts des hohen Personalbedarfs in allen Bereichen der „hausgemachte“ Fachkräftemangel der auch in zu vielen Frühverrentungsanreizen begründet liege, beendet werden, so Hoehl. 

Der Fachkräfteengpass betreffe aber keinesfalls alle Branchen und nicht alle Regionen, betont die Bundesagentur für Arbeit. Es gebe jedoch Engpässe in einzelnen technischen Berufsfeldern, Bauberufen sowie in Gesundheitsberufen. Die „Engpasssituation“ zeige sich dabei für Fachkräfte mit Berufsausbildung und Spezialisten mit Weiterbildungsabschluss angespannter als für Akademiker. 

 

Es gibt keinen generellen Fachkräftemangel in Deutschland

 

Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), teilt die Einschätzung der Arbeitsagentur. Auch er sieht keinen generellen Fachkräftemangel in Deutschland, sondern ein branchenspezifisches Problem „auf wenigen regionalen Arbeitsmärkten“, so Brenke. Dafür macht er die gegenwärtige Hochkonjunktur und Mängel „struktureller Art“ verantwortlich. Das „Paradebeispiel“ hierfür sei die Pflege. Hier passe die Entlohnung nicht zu den beruflichen Herausforderungen. „Solche Berufe bekommen ein schlechtes Image, und es finden sich dafür weniger Auszubildende“, so Brenke. Für Brenke tragen die Unternehmen aber auch einen nicht unerheblichen Teil der Schuld am „Fachkräftemangel“. Sie hätten zu wenig Nachwuchskräfte ausgebildet. „Die Unternehmen denken vielerorts zu kurzfristig“, so Brenke. Und: Nur rund 25 Prozent der Betriebe bildet überhaupt aus.

 

Im öffentlichen Dienst wird nur auf temporäre Engpässe reagiert

 

Kurzfristiges Denken hat auch Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut innerhalb des öffentlichen Dienstes ausgemacht. Hier werde nur auf temporäre Engpässe reagiert, langfristig-vorausschauende Planung gebe  es offenbar nicht. „Ich glaube, das Problembewusstsein ist einfach nicht ausreichend entwickelt“, erklärt Ragnitz. mei"