Herr Englisch, wie feiert Papst Franziskus das Osterfest?
ANDREAS ENGLISCH: Papst Franziskus hat keine Zeit, persönlich Ostern zu feiern. Seit Gründonnerstag bis Ostermontag ist er ununterbrochen unterwegs. Er macht nach Ostern übrigens auch keine Ferien wie sein Vorgänger, die sich immer von den österlichen Strapazen erholten.
Was stellt Franziskus in seiner Osterbotschaft in den Mittelpunkt?
ENGLISCH: Im Mittelpunkt seiner Osterbotschaft stehen die modernen, christlichen Märtyrer. Das sind die Menschen, die noch heute wegen ihres Glaubens ermordet wurden.
Was macht Franziskus Ostern anders als seine Vorgänger?
ENGLISCH: Er hat seine Oster-Ansprache verändert. Frühere Päpste verkündeten die Ostergrüße in 80 Sprachen in alle Welt. Franziskus will diese Ostergrüße nur in den Ländern und den Sprachen verkünden, in denen auch viele Christen leben. Er will vermeiden, dass sich Länder, in denen die Christen in der großen Minderheit sind, belästigt fühlen. Auch zelebriert er die Gottesdienste nicht in pompösen Messgewändern, wie das seine Vorgänger taten. Auch bei der Fußwaschung am Gründonnerstag geht er andere Wege. Während frühere Päpste die Fußwaschung an Priestern aus der Diözese Rom vollzogen, wendet sich Franziskus hier ganz normalen Menschen zu. In diesem Jahr wusch er geläuterten Mafiosi im Gefängnis die Füße.
Es gibt nicht wenige Menschen, die sich Ostern fragen, warum hat Gott Jesus kreuzigen lassen? Wie würde der Papst diese Frage beantworten?
ENGLISCH: Aus theologischer Sicht musste Jesus sterben, um die Sünden der Welt zu tilgen. Es gibt übrigens in vielen Religionen die Vorstellung, dass ein Opfer erbracht werden muss. Auch im jüdischen Glauben ist die Erbringung eines Opfers ganz wichtig. Und in der christlichen Religion opfert Gott schließlich sogar seinen Sohn.
Was sollten „normale“ Menschen über Ostern wissen?
ENGLISCH: Es ist das wichtigste christliche Fest, der Kernpunkt der christlichen Religion. Im christlichen Glauben ist Ostern der Tag, an dem der Tod besiegt wird. Andere christliche Feste, wie zum Beispiel Weihnachten, treten gegenüber Ostern in der Bedeutung klar in den Hintergrund.
Themenwechsel und von der Religion zur Politik. Welche Erfolge kann Franziskus bisher für sich verzeichnen?
ENGLISCH: Papst Franziskus hat Kairo besucht. Dabei handelt es sich um den ersten Besuch eines römisch-katholischen Kirchenoberhaupts in der ägyptischen Hauptstadt, seit Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 dort war. Religionspolitisch bedeutsam war die Reise vor allem durch das Treffen des Papstes mit Großimam al-Tayyeb. Die von ihm geleitete traditionsreiche Universität gilt als Lehrautorität im sunnitischen Islam, dem die Mehrheit der Muslime weltweit angehört.
Welche neuen Wege ist Franziskus noch gegangen?
ENGLISCH: Er hat sich bei den Homosexuellen für deren Diskriminierung durch die katholische Kirche entschuldigt, für die Homosexualität jahrhundertelang wider die Natur des Menschen war. Auch die Diskussion über die Wiedereinführung des Fraudiakonats ist auf ihn zurückzuführen. Ein historischer Wendepunkt in der Kirchengeschichte ist es, dass er wiederverheiratete Geschiedene wieder zur Kommunion zulassen will.
Hat der Papst auch Fehler gemacht?
ENGLISCH: Ja, er hat sich mehrfach, mit Verlaub, verquatscht. So hat er während einer Predigt einem Vater, der zugab, sein Kind geschlagen zu haben, bescheinigt, dass dieser Mut bewiesen habe. Gewalt gegen Kinder, geht aber gar nicht. Zurückrudern musste er auch in dem Fall, als er Familien riet, sich nicht „wie die Karnickel zu vermehren“. Aber nur wer schweigt und auf seinem Thron sitzt macht keine Fehler. So einer ist Franziskus nicht.
Was werfen seine Kritiker Franziskus vor?
ENGLISCH: Franziskus hat sehr viele Kritiker in der Kirche. Die schlimmsten Kritiker werfen ihm vor, die Kirche zu spalten wie zu Zeiten der Reformation. Andere seiner Feinde sagen, er sei nicht mehr katholisch und gebe sich als primitiver Antikapitalist, der sage, die Welt produziere die verkehrten Produkte. Diese Kritiken teile ich nicht. Wir brauchen nämlich keine 300-PS-Porsches, sondern Busse, die Menschen in der sogenannten dritten Welt befördern. Für mich ist Franziskus ein notwendiger und hervorragender Revolutionär der katholischen Kirche.
Ist Franziskus nur ein Papst für die Armen?
ENGLISCH: Ja. Franziskus ist der Papst für die Armen. Es ist sein wichtigstes Anliegen, dass die Kirche an der Seite der Armen zu stehen hat. Er ist ein Sozialdemokrat, wenn er fordert, dass Eigentum verpflichte. Wer viel Geld habe , soll auch viel Verantwortung übernehmen. Franziskus weiß, wovon er spricht. Er hat lange Zeit in Armenvierteln in Buenos Aires zugebracht. Er lebte in einem Teil der Erde, wo die Unterschiede zwischen arm und reich am heftigsten aufeinander prallen. Franziskus kritisiert, dass ein Teil der Menschen in Saus und Braus leben und Produkte produzieren, die kein Menschen braucht. Auf der anderen Seite werden die Produkte, die viele Menschen brauchen nicht gerecht verteilt. Hier ist er ganz der Theologe der Befreiung, der davon ausgeht, dass Menschen arm gemacht und nicht arm geboren werden.
Hat er überhaupt Einfluss auf die Mächtigen dieser Welt?
ENGLISCH: Bei diesem Papst gibt es einen einfachen Beweis, dass er Einfluss auf die Mächtigen hat. So hat er verhindert, dass die USA in den Syrienkrieg eintreten. Auch hat Franziskus erreicht, dass die Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern im Vatikan stattfinden. Das ist riesiger Fortschritt.
Glauben Sie, dass Franziskus den Menschen die Kirche wieder näher gebracht hat?
ENGLISCH: Ohne jeden Zweifel. Als Beispiel kann ich meine Vorträge heranziehen. Während in der Ära Ratzinger 100 bis 150 Menschen zu diesen kamen sind es bei Franziskus 700. Und viele Menschen, die zu den Veranstaltungen kommen, sind weder Christen noch sind sie jemals in die Kirche gegangen. Sie sagen: Dieser Papst berührt auch uns. mei
Personalie: Seit 1987 beschäftigt sich Andreas Englisch (Jahrgang 1963) mit dem Vatikan. Über das, was den Gläubigen Gottes Spuren im Alltag sind, hat er mehrere Romane und Sachbücher geschrieben. Nach dem Abitur 1983 studierte er Literaturwissenschaft und Journalistik in Hamburg. 1987 kam er schließlich nach Rom. Eigentlich wollte er nur Italienisch lernen – und blieb. Seither leitet er dort das Korrespondentenbüro des Axel-Springer-Verlags. Seit 1995 begleitet er die Päpste auf ihren Reisen. mei
Buchhinweis: Andreas Englisch, Franzikus. Ein Lebensbild, C.Bertelsmann, 2016, 288 Seiten, 25 Euro