„Nicht nur, weil wir gesellschaftliche Verantwortung tragen, sondern auch aus eigenen, unternehmerischen Interessen“, so Weber. Ob Flüchtlinge und Asylbewerber eine Rolle als relevanter Wirtschaftsfaktor spielen können, darüber ist sich Karl Brenke noch nicht sicher. Aus ökonomischer Sicht sieht der Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) in Berlin durch einen verstärkten Einsatz von Flüchtlingen in Unternehmen tendenziell einen „Verdrängungswettbewerb“ auf den bundesdeutschen Arbeitsmarkt entstehen.
„Aktuell haben wir offiziell rund 3,5 Millionen gemeldete Arbeitslose in Deutschland. Hinzu kommen noch circa eine Millionen Menschen, die ungewollt in Teilzeit arbeiten“, rechnet Brenke vor. Hinzu komme noch, dass ein sehr großer EU-Arbeitsmarkt bestehe.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für Brenke die Frage, was für einen ökonomischen Nutzen ein eventuelles Arbeitsmarkt-Konjunkturprogramm speziell für Flüchtlinge hätte? Für den DIW-Experten wäre das bestenfalls ein „Nullsummenspiel“, denn Arbeitslose kämen ja nicht in den Genuss eines solchen Programms. Die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge ist für den Einstieg in das Berufsleben ein entscheidendes Moment. Aber Informationen darüber seien „ziemlich dünn“. Der EU-Standard, so Brenke weiter, sei, dass bei Asylsuchenden nur deren Nationalität, Alter und Geschlecht erfasst würden. In Deutschland werde zudem noch die Religion/Ethnie erfasst. „Noch dünner ist die Datenlage bei den anerkannten Flüchtlingen“, sagt der Experte.
Grundsätzlich sei über Qualifikationen der Flüchtlinge nichts bekannt. Und wenn es welche gäbe, wären die wegen Problemen bei der Vergleichbarkeit der Qualifikation schwer zu interpretieren.
Es gibt keine belastbare Datenlage
Auch Gabriele Krailing, ehemalige Vorsitzende des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, weiß, dass es „keine belastbare Datenlage“ zu den Qualifikationsstrukturen der Asylbewerber und Flüchtlinge“ gibt. Allerdings gebe es Hinweise und einige wenige vorliegende Informationen bestimmter Gruppen von Asylbewerbern und Flüchtlingen, die dafür sprechen würden, dass es eine relativ große Gruppe mit höherer Schuldbildung oder mit Universitätsabschluss gibt. Dabei dürfte der Anteil von Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung ebenfalls sehr hoch sein. Die mittleren Qualifikationen seien laut des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kaum vertreten, so Krailing.
Flüchtlinge kommen aus Entwicklungs- und Schwellenländern
So habe 2013 eine IAB-Migrationsstichprobe ergeben, dass Asylbewerbern und Flüchtlingen, denen es gelungen sei, in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen, folgendes Ergebnis: 13 Prozent verfügten über ein abgeschlossenes Hochschulstudium, 24 Prozent über einen mittleren Bildungsabschluss und 58 Prozent über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Inwieweit diese Zahlen aktuell ihre Gültigkeit haben, kann möglicherweise bezweifelt werden. „Unsere heutigen Flüchtlinge kommen in erster Linie aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass deren beruflichen Qualifikationen nicht allzu hoch sind. Um diese für den Arbeitsmarkt fit zu machen, sind Anpassungsqualifikationen notwendig“, sagt Brenke.
Osteuropäische Einwanderer waren schneller im deutschen Arbeitsmarkt integriert
Diese hätten die große Zahl der Migranten, die in 1980er und 1990er Jahren aus Osteuropa nach Deutschland kamen, in aller Regel nicht gebraucht. Brenke macht das am Beispiel der polnischen Einwanderer deutlich. „Sie wussten genau, was sie wollten und hatten in ihrer Mehrheit einen mittleren Qualifikationsabschluss“, so Brenke. Die berufliche Integration in Deutschland sei deshalb bei ihnen schnell gewesen. Vermutlich auch deshalb, weil sie ihre neue Heimat bewusst in boomenden Regionen, wie in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, suchten. Dass das Erlernen der deutschen Sprache für Flüchtlinge eine sehr wichtige Voraussetzung ist, um im Beruf Fuß zu fassen, darüber sind sich DGB-Bezirkschefin Krailing und der DIW-Experte Brenke einig.
Der Bau von Werkswohnungen kann helfen
Und dabei seien auch die Unternehmen gefordert. „Diese können eine Menge tun. Das Anbieten von Sprachkursen sollte nicht nur Aufgabe des Staates sein“, so Brenke. Schließlich hätten deren Verbände auch den Begriff der „Willkommenskultur“ erfunden. Um diesen Begriff mit Leben zu füllen, sollten die Unternehmen beginnen, an die gute, alte, aber verloren gegangene Tradition des Baues von Werkswohnungen anknüpfen, rät der DIW-Experte. Mit dem Bau von Werkswohnungen für Flüchtlinge möchte sich Dr. Wilhelm Hickmann vermutlich erst einmal zurückhalten. Der Geschäftsführer des Usinger Unternehmens Pikatron, das mit elektromagnetischen Bauteilen die verschiedensten Märkte, angefangen von der Automobilindustrie bis hin zur Windkraft bedient, möchte lieber erst einmal im Kleinen beginne. „Ich könnte mir einen Einsatz von Flüchtlingen als Leiharbeiter vorstellen, denn dieser Arbeitsmarkt ist bei uns fast leergefegt“, sagt Hickmann. Für diese Zu- und Hilfsarbeiten seien in seinem Unternehmen eine handwerkliche Ausbildung und Grundkenntnisse in Deutsch oder Englisch erforderlich. Das wäre dann fast im Sinne der Deutschen Bahn. mei