30 Jahre nach Öffnung der deutsch-deutschen Grenze liegen die Nerven blank: "In Berlin ersteht die DDR wieder auf", titelte »Bild« am 15. August. Der Hintergrund: Am 7. Oktober, dem 70. Jahrestag der Staatsgründung, soll in Berlin die Festveranstaltung "Sagen wird man über uns're Tage« stattfinden, durchgeführt von der Tageszeitung »junge Welt". "Bild" fragt: "Wer hat die DDR-Propaganda genehmigt?"
Doch das sei es noch lange nicht: Auch "Der Schwarze Kanal", die bekannte Sendung des DDR-Fernsehens, die jeden Montag Abend in über 1.500 Folgen "Aufklärung über die westliche antikommunistische Propaganda" leisten wollte, sei keineswegs vollständig untergegangen. Im Gegenteil: Die Tageszeitung werde den Schwarzen Kanal wiederbeleben. Nicht als einfache Kopie des von Karl-Eduard von Schnitzler erfundenen Formats, sondern als Weiterentwicklung. Schon seit 2004 veröffentliche die Zeitung in jeder Wochenendbeilage das gleichnamige Format als gedruckte Medienkritik. Ab heutigem Freitag, den 16. August, sollen diese Glossen nun auch als Video und als Audio-Podcast bereitgestellt werden. Zunächst im monatlichem Rhythmus, geplant ist aber eine wöchentliche Veröffentlichungsfrequenz - jeder gedruckte »Schwarze Kanal« soll dann multimedial verfügbar sein.
Eduard von Schnitzer: Die Waffe im Klassenkampf
Márta Rafael, Ehefrau des im Jahr 2001 verstorbenen Journalisten Karl-Eduard von Schnitzler, hatte der Tageszeitung gestattet, unter dem Titel Schwarzer Kanal "die Tradition aufklärerischer Medienkritik im Geiste ihres Mannes fortzusetzen". Dies habe die "junge Welt" stets als Auftrag verstanden. Auch die Verfügbarmachung in Audio- und Videoformaten sehe die Zeitung in diesem Sinne: "Ich werde meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen. Als Waffe im Klassenkampf (...) Auf Wiederschauen.« (Karl-Eduard von Schnitzler im letzten ausgestrahlten "Schwarzen Kanal« des DDR-Fernsehens am 30.10.1989"). pm, ots, mei