Bei der Kommunalwahl in Hessen am 6. März 2016 zeigte sich bereits das Wählerpotenzial der AfD auch im Bundesland Hessen. Sie erreichte im Landesdurchschnitt 11,9 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen und insgesamt 279 Sitze, davon 183 in den Kreistagen und 96 in Städten und Gemeinden.
Sie wurde damit drittstärkste Kraft nach der CDU mit landesweit 28,9 Prozent und der SPD mit 28,5 Prozent der abgegebenen Stimmen. Einige ausgewählte kommunale Ergebnisse zeigen, wo die AfD besonders erfolgreich und überdurchschnittlich abgeschnitten hat: In den Landkreisen Bergstraße mit 15,9 % (elf Sitze), Offenbach mit 14,7% (13 Sitze), Main-Kinzig mit 14,6% (13 Sitze), Gießen mit 14,4% (zwölf Sitze) und Fulda mit 14,3% (zwölf Sitze) erhielt die AfD die größte Zustimmung. Bei den Städten waren es unter anderem Dietzenbach mit 14,7% (sieben Sitze), Bad Karlshafen mit 14,0% (zwei Sitze), Bensheim mit 13,3% (sechs Sitze), Gießen mit 12,9% (acht Sitze) und Wiesbaden mit 12,2% (elf Sitze).
Partei zog mit 89-seitigen Programm in den Wahlkampf
Im Landtagswahlkampf 2018 sei die AfD programmatisch mit einem 89-seitigen Programm angetreten; es hatte den Titel „Hessen. Aber sicher!“. Mit ihm habe sie dargelegt, was ihre Themen und Forderungen sind und mit welcher Sprache sie agiert. Die 15 Gliederungspunkte zeugten von einem umfangreichen Themenspektrum. Dabei gehe es um Demokratie und Rechtsstaat, Innere Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, Familie, Bildung, Einwanderung, Integration und Asyl, Finanzen, Arbeit und Soziales, Wirtschaft, Verkehr, Straßenbau und Mobilität, Energie, Planen und Wohnen, Ländlicher Raum, Natur- und Landschaftsschutz, Gesundheit und Sport, Kunst, Kultur und Medien.
Neben landespolitischen Schwerpunkten wie hohen Mieten in Ballungsräumen – hier spricht die AfD von „Staatsversagen auf allen Ebenen“ – dominierten in dem Programm die klassischen AfD-Themen, wie Innere Sicherheit, Familie, Einwanderung und Asyl sowie Gender. Beim Thema Innere Sicherheit präsentiert sich die AfD als Partei von „Recht und Ordnung“: „Wir werden dafür sorgen, dass Sie in Hessen in Freiheit und Sicherheit und ohne Angst leben können.“
AfD hat konservativ-traditionelles Familienbild
Weiter formuliere sie Slogans wie „Akzeptanz unserer christlichen, abendländischen Werte“, „Ausländerkriminalität – entgegenwirken und eindämmen“ oder „Extremistische Gruppierungen – entgegentreten und abwehren“. Die familienpolitischen Ziele basierten auf einem konservativ-traditionellen Familienbild: „Die Familie mit Vater, Mutter, Kindern und der älteren Generation bildet das Fundament unserer Gesellschaft. In ihr werden Werte und kulturelle Identität, Heimatliebe, Gemeinschaftssinn und Solidarität herangebildet.“
Weiteres zentrales Thema ist die "Frühsexualisierung"
Weitere zentrale Themen seien die angebliche „Frühsexualisierung“ und der Sexualkundeunterricht. So heißt es: „Jeder Sexualkundeunterricht muss auf den christlichen Wurzeln unseres Landes basieren. Die Vater-Mutter-Kind-Konstellation muss als Keimzelle unserer Gesellschaft erhalten bleiben.“ Bei dem Themenbereich „Einwanderung und Asyl“ ist die Rede von „Grenzen schützen, Asylmissbrauch und illegales Zuwandern beenden“, „Integration ist eine Bringschuld der Einwanderer“ oder „Staatsbürgerschaft durch Abstammung“. Der Begriff „Ausländer“ findet dabei themenübergreifend Verwendung. Gender-Mainstreaming wird entschieden abgelehnt und für die AfD steht sie „im Widerspruch zu den Ergebnissen der Naturwissenschaften, der Entwicklungspsychologie und der Lebenserfahrung“.
Wiederholt interne Auseinandersetzungen im Landesverband
Im Landesverband habe es vor der Landtagswahl und der Aufstellung der Landesliste wiederholt interne Auseinandersetzungen beziehungsweise Flügelkämpfe zwischen eher rechtskonservativ-moderaten, rechtspopulistischen und nationalistisch-völkischen Kräften beziehungsweise Akteuren. Dabei schien es, dass mit den neuen Landesvorsitzenden Klaus Herrmann und Robert Lambrou – er ist Fraktionsvorsitzender und Geschäftsführer der AfD-Stadtverordnetenfraktion von Wiesbaden und bezeichnet sich als „bürgerlich-konservativ“ (andere nennen sich „freiheitlich-patriotisch“) – und dem Einzug in den Landtag eine gewisse Beruhigung und Befriedung in der „gezähmten“ Partei und Fraktion eingetreten ist. Streit und Konflikte, interne Querelen und Differenzen werden – obwohl alle Lager/Strömungen (auch der nationalistisch und völkisch argumentierende „Flügel“) in der Fraktion vertreten sind – nach außen kaum erkennbar bzw. offen ausgetragen.
Aus dem Innenleben dringt kaum etwas
Aus dem Innenleben – den „dunklen Zonen“, dem rechtsextremen Gedankengut oder auch Machtkämpfen – von Partei und Fraktion dringt kaum was in die Öffentlichkeit .Nachgewiesene personelle Verbindungen (verbunden mit Überzeugungen und Loyalitäten) zur außerparlamentarischen extremen Rechten, wie zum Beispiel der „Identitären Bewegung“ (IB), werden relativiert, umgedeutet, klein geredet und – mit Blick auf die Unvereinbarkeitsliste – als Vergangenheit und früheres Engagement deklariert.
Netzwerker innerhalb der neuen Rechten
Das betrifft insbesondere den AfD-Abgeordneten Andreas Lichert, der als Netzwerker der Neuen Rechten gilt, für das „Institut für Staatspolitik“ des neurechten Publizisten und Netzwerkers Götz Kubitschek aktiv war; und der weiter in das „patriotische Hausprojekt“ respektive „identitäre Zentrum“ in Halle an der Saale einbezogen war, und für den die IB „weder in seinen Zielen noch in seinen Mitteln – in einem sinnvollen Sinne des Wortes – extremistisch“ ist.
Dann gilt das auch Jens Mierdel, den Co-Vorsitzenden der „Jungen Alternative Hessen“ und AfD-Abgeordneten im Fuldaer Kreistag. Er hatte zeitweise als „Regionalleiter Hessen“ eine Führungsfunktion in der IB inne und arbeitet seit Anfang Juli 2019 als persönlicher Referent für den AfD-Landtagsabgeordneten Heiko Scholz. mei
English version
Since 2018 the AfD has also been represented in the state parliament of Hesse. How does the right-wing populist party behave in parliament? How do its deputies act there? Two Marburg extremism researchers have analysed the party and its behaviour. We start with the first part of the series. The local elections in Hesse on 6 March 2016 already showed the voter potential of the AfD in the federal state of Hesse. It achieved an average of 11.9 percent of the second votes cast and a total of 279 seats, of which 183 were in the district assemblies and 96 in towns and municipalities.
It thus became the third-strongest power after the CDU with 28.9 percent of the votes cast nationwide and the SPD with 28.5 percent. A few selected municipal results show where the AfD has been particularly successful and above average: In the administrative districts of Bergstrasse with 15.9% (eleven seats), Offenbach with 14.7% (13 seats), Main-Kinzig with 14.6% (13 seats), Giessen with 14.4% (twelve seats) and Fulda with 14.3% (twelve seats), the AfD received the most approval. Among the cities it was Dietzenbach with 14.7% (seven seats), Bad Karlshafen with 14.0% (two seats), Bensheim with 13.3% (six seats), Gießen with 12.9% (eight seats) and Wiesbaden with 12.2% (eleven seats).
Party started election campaign with 89-page program
In the 2018 state election campaign, the AfD had started programmatically with an 89-page programme entitled "Hessen. Sure thing! With it it had explained what its topics and demands are and with which language it acts. The 15 points in the structure testified to an extensive range of topics. They dealt with democracy and the rule of law, internal security and the rule of law, family, education, immigration, integration and asylum, finance, labour and social affairs, economics, transport, road construction and mobility, energy, planning and housing, rural areas, nature and landscape conservation, health and sport, art, culture and the media.
In addition to regional policy priorities such as high rents in conurbations - here the AfD speaks of "state failure at all levels" - the programme was dominated by classic AfD themes such as internal security, family, immigration and asylum as well as gender. On the subject of internal security, the AfD presents itself as a party of "law and order": "We will ensure that you can live in Hesse in freedom and security and without fear".
AfD has conservative-traditional family image
It further formulated slogans such as "acceptance of our Christian, occidental values", "crime against foreigners - counteracting and containing" or "extremist groups - opposing and repulsing". The family policy goals were based on a conservative-traditional family image: "The family with father, mother, children and the older generation forms the foundation of our society. In it, values and cultural identity, love of the homeland, a sense of community and solidarity are formed.
Another central theme is "early sexualisation"
Further central topics are the alleged "early sexualisation" and sex education. It says: "Every sex education lesson must be based on the Christian roots of our country. The father-mother-child constellation must remain the nucleus of our society". In the field of "Immigration and Asylum", the talk is of "protecting borders, ending asylum abuse and illegal immigration", "integration is a debt of the immigrants" or "citizenship by descent". The term "foreigner" is used in a cross-cutting way. Gender mainstreaming is firmly rejected and for the AfD it is "in contradiction to the results of the natural sciences, developmental psychology and life experience".
Repeated internal disputes in the regional association
Prior to the state elections and the establishment of the state list, there had been repeated internal conflicts and wing fights in the regional association between rather right-wing conservative moderate, right-wing populist and nationalist-racial forces or actors. It seemed that with the new regional chairmen Klaus Herrmann and Robert Lambrou - he is fraction leader and managing director of the AfD city council faction of Wiesbaden and describes himself as "bourgeois-conservative" (others call themselves "liberal-patriotic") - and the entry into parliament a certain reassurance and pacification has occurred in the "tamed" party and faction. Conflicts and quarrels, internal quarrels and differences - although all camps/currents (including the nationalistically and ethnically arguing "wing") are represented in the faction - are hardly recognizable to the outside world or are openly expressed.
Hardly anything penetrates from the inner life
The inner life - the "dark zones", the right-wing extremist ideas or even power struggles - of the party and faction is barely penetrating into the public eye. Proven personal connections (combined with convictions and loyalties) to the extra-parliamentary extreme right, such as the "Identitarian Movement" (IB), for example, are relativized, reinterpreted, minimized, and - with a view to the list of incompatibilities - declared as a past and former commitment.
Networkers within the new rights
This concerns in particular the AfD delegate Andreas Lichert, who is regarded as a networker of the New Right, who was active for the "Institute for State Policy" of the new right journalist and networker Götz Kubitschek; and who was further involved in the "patriotic house project" or "identitary centre" in Halle an der Saale, and for whom the IB is "neither in its aims nor in its means - in a meaningful sense of the word - extremist".
Then this also applies to Jens Mierdel, the co-chairman of the "Junge Alternative Hessen" and AfD delegate in the Fuldaer Kreistag. At times he held a management function in the IB as "Regional Manager Hesse" and has been working as a personal consultant for the AfD Member of State Parliament Heiko Scholz since the beginning of July 2019. mei