"In vielen deutschen Restaurants sind Ahnungslose am Werk"

 

Herr Voll, warum wurden ausgerechnet Restaurants ein Thema für Sie?

 

VOLL: Wir reden heutzutage immer über Lebensmittelsicherheit, und den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln.  Auf der anderen Seite lassen wir zu, dass völlig ahnungslose Personen eine Speisegaststätte eröffnen können. Und das ohne Ausbildung, und ohne Kenntnis der fundamentalsten Regeln. Im Handwerk, wie Bäcker oder Fleischer, haben wir klare Regeln geschaffen, den Meisterbrief. Nur in Gaststätten darf ein Schlosser, oder Harz VI Empfänger Lebensmittel herstellen, da passt etwas nicht zusammen. 

 

Wie viele Gaststätten haben Sie unter die Lupe genommen?

 

VOLL: In den langen 30 Jahren als Lebensmittelkontrolleur komme ich auf gut und gerne

9.000 Kontrollen in Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen. 

 

Was war das Schlimmste, was war das Beste, was Sie in Gaststätten erlebt haben?

 

VOLL: Das Schlimmste, in einem Chinarestaurant hingen gekochte Enten an Drahtgestellen innen auf der Personaltoilette zum Auskühlen, der Inhaber konnte nicht verstehen, warum ich die habe entsorgen lassen.

Das Beste das ich je gesehen habe, war in einer echten italienischen Gastronomie. Die Küche war sauber, die Waren super frisch, der Fisch roch nach gemähtem Gras, alle die am Herd standen waren Köche, und in Italien ausgebildet, ich habe viele sehr gute Betriebe gesehen, aber der war mit Abstand der Beste.  

 

Sind deutsche Gaststätten „besser“, als der Italiener um die Ecke?

 

VOLL: In einer Deutschen Gaststätte arbeiten zu 95 Prozent gelernte Köche, das ist ein erheblicher Vorteil. In einer italienischen Gaststätte arbeiten oft nicht einmal Italiener, und wenn, dann sind nur ganz wenige von denen Köche. Jemand der das nicht gelernt hat, kann das nicht gut können. Vor allem aber, die Leistung eines Restaurants spielt sich ja auch in Bereichen ab, die dem Gast verborgen bleiben, und da muss ich sagen, da haben die deutschen die Nase vorne.   

 

Können Gaststätten alle über einen Kamm geschoren werden?

 

VOLL: Nein, man muss sich selbst ein Bild machen. Ich rate den Leuten immer, gehen Sie mit offenem Blick in ein Lokal. Oft sind die unscheinbaren die Besten. 

 

Wie erkennt der Verbraucher eine gute und eine schlechte Gaststätte?

 

VOLL: Eine gute Gaststätte, erkennt man daran. Beim Betreten, riecht es angenehm nach Essen, der Gastraum ist sauber und hell. Die Möbel sind frei von Flecken, und in den Ritzen findet man keine Krümel. Die Tischdecken und Speisekarten sind sauber. Die Bestecke liegen nicht in einer verschmutzten Krabbelkiste, auf der Speisekarte steht nie „Internationale Küche“, sondern maximal zehn Gerichte. Die Kellner tragen saubere Arbeitskleidung. Von der Bestellung an dauert es mindestens 30 Minuten, dann ist das Essen frisch gemacht.

 

…und eine schlechte Gaststätte? 

 

VOLL: Ein schlechte Gaststätte erkennen sie auch beim Betreten, es riecht nach altem Fett, der Raum wirkt schmuddelig und dunkel, der Teppich ist abgetreten und verschmutzt fleckig, die Möbel sind abgestoßen, die Speisekarten kleben leicht, die Kellner laufen in Privatkleidung herum, in den Ritzen der Polster finden sich jede Menge Krümel, oder noch ganz andere Sachen. Das Essen wird nach zehn Minuten aus der Mikrowelle serviert.

 

Gibt es auch miese Nobelrestaurants?

 

VOLL: Durchaus, hier stimmt die Hygiene, aber mit den Waren wird ordentlich getrickst. Kollegen haben davon berichtet. Mir ist eine solche Gaststätte aber nie untergekommen. 

 

Welches Fazit ziehen Sie nach Ihrer Recherche?

 

VOLL: Viele Probleme entstehen dadurch, dass die Betreiber völlig ahnungslos sind. Da werden Lebensmittel falsch gelagert, oder die Küchenhygiene nicht so ernst genommen. Das geht schon beim Einkauf und Transport der Lebensmittel in den Betrieb los, und setzt sich im Betrieb fort. Am Deutlichsten tritt die Ahnungslosigkeit zu Tage, wenn statt Lebensmittel echter Kunststoffbehälter, einfach Zementkübel im Baumarkt gekauft werden, weil die ja billiger sind, und darin dann unverpacktes Fleisch gelagert wird, das habe ich öfter erlebt als mir lieb war.  

 

Wer wird eigentlich Gastwirt in Deutschland? Ist es einfach, Gastwirt zu werden?

 

VOLL: Wenn eine Person, morgen glaubt, eine geniale gastronomische Idee zu haben, dann kann er eine Gaststätte eröffnen, und wird das auch tun. Oft aber werden die Neugastronomen getrieben von dem Wunsch mit einer Gaststätte ordentlich Geld zu verdienen. Meist sind das Menschen, die sonst keine andere Chance haben, etwas zu verdienen, oder einfach mal den Beruf wechseln wollen. Was brauchen diese Leute dann? Nicht viel. Eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, sie müssen also regelmäßig Steuern gezahlt haben. Und dann noch das Geld für die Ablösung. Als Qualifikation brauchen Sie einen regelmäßigen Puls, soll heißen keine. 

 

Die Gastronomie klagt immer über Nachwuchsmangel. Hausgemacht?

 

VOLL: Ausgebildeter Nachwuchs, zum Beispiel Köche kann es kaum geben, da nur Küchenmeister ausbilden dürfen. Da ist das Gesetz streng, und Küchenmeister sind selten. Servierkräfte sind deshalb schwer zu bekommen, weil man denen ein Gehalt anbietet, das als unterirdisch bezeichnet werden kann. Außerdem hat der Beruf kaum Perspektiven, wer heute kellnert, der kann in einen anderen Betrieb wechseln, aber die Bedingungen bleiben immer gleich, das will heute keiner mehr. Und man muss dazu sagen, der Gast hat sein Verhalten geändert, er wird fordernder und wird schnell unverschämt. Das geht von groben Anfeindungen bis zur Beleidigung und trägt somit auch dazu bei, dass sich keiner mehr für diesen Beruf entscheidet.  

 

Was muss sich in der deutschen Gastronomie ändern?

 

VOLL: Im Jahr 2019 sollten wir endlich damit beginnen, Gaststättenkonzessionen an Bedingungen wie Ausbildung und Wissen im Umgang mit Lebensmitteln zu knüpfen. Die Gesetzeslage hat sich dramatisch verändert, das kann ein Ungelernter nicht mehr begreifen, geschweige denn umsetzen. Wir schreien in allen Bereichen der Lebensmittelproduktionen nach Fachwissen und Fachleuten, aber auf einem der größten Felder der Lebensmittelproduktionen überlassen wir die Produktion unkundigen, ahnungslosen Personen. Wer über Lebensmittelsicherheit redet, wird unglaubwürdig, wenn er diesen Zustand für akzeptabel hält.  mei

 

Buchhinweis: Franz Voll, Kitchen Guide – Vorne hui, hinten pfui, Von-Rosen-Reihe, Benz 2019, 9,90 Euro

 

Personalie: Franz Josef Voll, geboren 1955 in Essen, gehört zu den Menschen, von denen man sagen kann, sie haben die Seiten gewechselt: Mit 13 begann er eine Metzgerlehre, mit 31 wurde er Lebensmittelkontrolleur. Illusionen, dass diese Kontrollen etwas bewirken, hatte er allerdings zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr. Heute lebt er auf Usedom und deckt den systematischen Betrug in der Wurst- und Fleischbranche auf.

 

English version

 

Food safety and hygiene are not the best in many German restaurants, says food expert and author Franz Voll.  

 

Mr Voll, why did restaurants of all places become an issue for you?

 

VOLL: Nowadays we always talk about food safety and the hygienic handling of food.  On the other hand, we allow completely unsuspecting people to open a restaurant. And that without training, and without knowledge of the most fundamental rules. In the trade, like baker or butcher, we have created clear rules, the master's certificate. Only in restaurants a locksmith, or resin VI receiver may produce food, there something does not fit together. 

 

How many restaurants have you scrutinized?

 

FULL: In my long 30 years as a food inspector, I've come across as good and happy

9,000 inspections in restaurants and similar establishments. 

 

What was the worst, what was the best that you experienced in restaurants?

 

FULL: The worst thing, in a Chinese restaurant cooked ducks hung on wire racks in the staff toilet to cool down, the owner couldn't understand why I had them disposed of.

The best I've ever seen was in a real Italian restaurant. The kitchen was clean, the goods super fresh, the fish smelled of mown grass, all those standing at the stove were cooks, and trained in Italy, I have seen many very good companies, but this was by far the best.  

 

Are German restaurants "better" than the Italian around the corner?

 

VOLL: In a German restaurant, 95 percent of the chefs work, which is a considerable advantage. In an Italian restaurant often not even Italians work, and when they do, only very few of them are chefs. Someone who hasn't learned this can't do it well. Above all, however, the performance of a restaurant also takes place in areas that remain hidden from the guest, and here I have to say that the Germans have the edge.   

 

Can all restaurants be shorn over the same ridge?

 

VOLL: No, you have to make up your own mind. I always advise people to take an open look at a restaurant. Often the inconspicuous are the best. 

 

How does the consumer recognize a good and a bad restaurant?

 

FULL: A good restaurant, you can tell by that. When entering, it smells pleasantly like food, the guest room is clean and bright. The furniture is free of stains and there are no crumbs in the cracks. The tablecloths and menus are clean. The cutlery is not in a dirty crate, the menu never says "international cuisine", but a maximum of ten dishes. The waiters wear clean working clothes. It takes at least 30 minutes from the moment the order is placed until the food is freshly prepared.

 

...and a bad restaurant? 

 

FULL: You recognize a bad restaurant even when you enter it, it smells like old fat, the room looks dirty and dark, the carpet is worn out and dirty, the furniture is worn off, the menus stick easily, the waiters walk around in private clothes, in the cracks of the upholstery there are lots of crumbs, or quite other things. The food is served after ten minutes from the microwave.

 

Are there also bad posh restaurants?

 

FULL: Absolutely, here the hygiene is right, but the goods are tricked properly. Colleagues have reported on this. But I have never found a restaurant like this. 

 

What conclusions do you draw from your research?

 

VOLL: Many problems arise because the operators are completely unsuspecting. Food is stored incorrectly or kitchen hygiene is not taken so seriously. This already starts with the purchase and transport of the food into the company, and continues in the company. The most obvious sign of ignorance comes to light when, instead of food in genuine plastic containers, cement buckets are simply bought in DIY stores, because they are cheaper, and unpacked meat is then stored in them, which I have experienced more often than I had liked.  

 

Who actually becomes an innkeeper in Germany? Is it easy to become an innkeeper?

 

FULL: If a person tomorrow thinks he has a brilliant gastronomic idea, he can open a restaurant, and he will. But often the new gastronomes are driven by the desire to earn a lot of money with a restaurant. Usually these are people who have no other chance to earn anything or simply want to change their profession. What do these people need then? Not much. A tax clearance certificate, so they must have paid taxes regularly. And then the money for the replacement. As a qualification you need a regular pulse, i.e. no pulse. 

 

Gastronomy always complains about a lack of young people. Homemade?

 

FULL: Trained offspring, for example cooks, can hardly exist, since only chefs are allowed to train. The law is strict, and chefs are rare. Servants are difficult to get because they are offered a salary that can be described as underground. In addition, the profession has hardly any prospects, who waiter today, he can change to another company, but the conditions always remain the same, nobody wants that today. And one has to say that the guest has changed his behaviour, he becomes more demanding and quickly becomes impudent. This ranges from gross hostility to insult and thus also contributes to the fact that no one decides in favour of this profession anymore.  

 

What must change in German gastronomy?

 

FULL: In the year 2019 we should finally start to tie restaurant concessions to conditions such as training and knowledge in the handling of food. The legal situation has changed dramatically, an unskilled person can no longer understand that, let alone implement it. In all areas of food production, we scream for expertise and specialists, but in one of the largest fields of food production, we leave production to ignorant, unsuspecting people. Anyone who talks about food safety will become untrustworthy if they consider this to be an acceptable state of affairs. mei

 

Book reference: Franz Voll, Kitchen Guide, Von-Rosen series, Benz 2019, 9.90 Euro

 

Personalie: Franz Josef Voll, born 1955 in Essen, Germany, is one of those people who can be said to have changed sides: at 13 he began an apprenticeship as a butcher, at 31 he became a food inspector. At that time, however, he no longer had any illusions that these controls would have any effect. Today he lives on Usedom and uncovers the systematic fraud in the sausage and meat industry. mei