"Die Landtagswahl in Thüringen hat gezeigt, dass Parteien von den Wählerinnen und Wählern regional sehr unterschiedlich bewertet werden", sagte er in einem Interview mit dem "Tagesspiegel".
"Die Linkspartei stand dort offenbar für die meisten Wähler nicht für radikale Veränderungen, sondern hat auch Bewahrendes verkörpert. Dieses Beispiel zeigt doch: Mit bloßen Etiketten kommen wir künftig nicht mehr sehr weit, wenn Parteien ihren Umgang miteinander finden müssen." Steinmeier: Der Westen hat Verwerfungen im Osten ignoriert Angesichts neuer Mauern in den Köpfen schlägt Steinmeier einen Solidarpakt der Wertschätzung für die Menschen in Ostdeutschland vor. "Die Ostdeutschen haben mit der friedlichen Revolution, mit Mauerfall und Wiedervereinigung deutsche Demokratiegeschichte geschrieben", sagte er im Interview zum Mauerfall vor 30 Jahren.
"Illusion zu glauben, wir können Probleme mit Geld lösen"
"Aber was danach kam - die vielen persönlichen Umbrüche, der Jobverlust, die Abwanderung ganzer Generationen, die unzähligen Veränderungen - das ist im Westen nicht wirklich gesehen, geschweige denn anerkannt worden." Das habe zu neuen Enttäuschungen, zu neuen Rissen geführt. "Es war eine Illusion zu glauben, wir könnten dieses Problem allein mit Geld lösen", kritisierte sie Steinmeier. "Wir brauchen deshalb einen neuen, einen ganz anderen Solidarpakt - einen der offenen Ohren und des offenen Austauschs, der Wertschätzung und des Respekts, zwischen Ost und West, aber auch über die anderen, die lebensweltlichen Gräben in unserem Land hinweg."
Es geht um Anerkennung von Lebensbedingungen
Es gehe darum, die Menschen zusammenzubringen, Geschichten und Perspektiven auszutauschen, neugierig zu sein aufs eigene Land. "Es geht um die Anerkennung von Lebensleistung, um gegenseitigen Respekt und um das bessere Verständnis füreinander." Angesichts der kontroversen Debatte über die Rolle der Treuhand-Gesellschaft bei der Abwicklung zehntausender DDR-Unternehmen fordert eine nüchterne Bestandsaufnahme gefordert, um Opfermythen zu entkräften. "Ganz ohne Zweifel waren nicht alle Entscheidungen alternativlos, natürlich wurden Fehler gemacht", sagte Steinmeier dem "Tagesspiegel".
Akteneinsicht ermöglicht wissenschaftliche Bewertung
"Aber zur ganzen Wahrheit gehört eben auch, dass die DDR-Wirtschaft am Boden lag und mit Beginn der Währungsunion ihre Unternehmen zum ersten Mal nach Marktkriterien bewertet worden sind." Die nun mögliche Akteneinsicht ermögliche eine wissenschaftliche Bewertung. "Es geht mir nicht darum, die Treuhand reinzuwaschen. Den Menschen war aber zum Beispiel nicht klar, dass die Währungsunion das faktische Aus für viele DDR-Unternehmen bedeutete", so Steinmeier. Das hätte die Politik sicher deutlicher sagen können; das sei vielleicht einer dieser Fehler, den man aus der heutigen Perspektive nicht wiederholen würde. pm, ots
English version
In view of the debates in the CDU, Federal President Frank-Walter Steinmeier has indirectly warned against putting the Left and the AfD on the same level as the rest of the party: "The state elections in Thuringia have shown that parties are rated very differently by voters in different regions," he said in an interview with the "Tagesspiegel".
"The Left Party apparently did not stand for radical changes for most voters, but also embodied the preservation of the party. This example shows: "In the future we won't get very far with mere labels if parties have to find their way with each other". Steinmeier: The West has ignored distortions in the East In the face of new walls in people's minds, Steinmeier proposes a solidarity pact of esteem for the people of East Germany. "The East Germans have written German democratic history with the peaceful revolution, the fall of the Berlin Wall and reunification," he said in an interview on the fall of the Berlin Wall 30 years ago.
"Illusion to believe that we can solve problems with money"
"But what followed - the many personal upheavals, the loss of jobs, the migration of entire generations, the countless changes - that has not really been seen in the West, let alone acknowledged." This has led to new disappointments, new cracks. "It was an illusion to believe that we could solve this problem with money alone," she criticized Steinmeier. "We therefore need a new, a completely different solidarity pact - one of open ears and open exchange, of esteem and respect, between East and West, but also beyond the other, the worldly rifts in our country.
It is about the recognition of living conditions
It is about bringing people together, exchanging stories and perspectives, being curious about one's own country. "It is about the recognition of life achievement, mutual respect and a better understanding for each other. In view of the controversial debate on the role of the Treuhand-Gesellschaft in the liquidation of tens of thousands of GDR companies, a sober stocktaking is called for in order to refute victim myths. "There is no doubt that not all decisions were without alternatives, of course mistakes were made", Steinmeier told the "Tagesspiegel".
Inspection of files enables scientific evaluation
"But it is also part of the whole truth that the GDR economy was in the doldrums and that its companies were evaluated according to market criteria for the first time with the beginning of monetary union. The now possible inspection of files made a scientific evaluation possible. "I am not interested in washing the trustee's trust. But it was not clear to the people, for example, that monetary union meant the actual end for many GDR companies," Steinmeier said. Politicians could certainly have said this more clearly; it was perhaps one of those mistakes that would not be repeated from today's perspective. pm, ots, mei