In einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" und das "Handelsblatt" fordert Gabriel seine Partei auf, "eine wirkliche Zukunftsdebatte darüber zu führen, was eigentlich das Ziel sozialdemokratischer Politik für Deutschland und Europa im kommenden Jahrzehnt" sein soll.
Das sei etwas völlig anderes, "als ein paar neue Milliardenforderungen für Sozialausgaben" zu verlangen, schreibt Gabriel. "Die SPD handelt nach dem Motto: Wenn die Medizin nicht wirkt, erhöhen wir einfach die Dosis. Konsequenter Weise fordert die neue SPD-Führung eine drastische Erhöhung der Mindestlöhne und neue Milliardenprogramme für die Kindergrundsicherung." Wählerstimmen könne man aber nicht kaufen. Gabriel warf der Parteiführung eine "thematisch-strategische Verzwergung der Gesamt-Partei auf das Segment des Sozialen" vor.
Kritik an der neuen Führungsspitze
Gabriel übte zugleich Kritik an seiner Partei und der neuen Führungsspitze. "Nun bekommt die SPD eine Führung, bei der eine Co-Vorsitzende die "Große Koalition für Mist" hält, der andere Co-Vorsitzende aber gern Neues und Zusätzliches mit der CDU/CSU verhandeln möchte, um drin zu bleiben. Anders sah es auch in der SPD-Führung 2017 nicht aus", schreibt ehemalige Wirtschafts- und Außenminister und erinnert daran, dass Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken "für ihren Kurs gerade mal etwa 25 Prozent der Mitglieder" gewinnen konnten.
Aus Angst vor Neuwahlen bleibt die SPD in der Regierung
Gabriel sagt voraus, dass die SPD "natürlich" in der Regierung bleiben werde, aus "Angst vor Neuwahlen und dem Verlust von sehr vielen Mandaten im Deutschen Bundestag". Die SPD sei heute nicht weiter als im Dezember 2017 und ringe immer noch mit der Frage, "ob sie mit den Unionsparteien eine sogenannte "große" Koalition bilden solle oder nicht." Gabriel erinnert daran, dass sich damals Zweidrittel der Mitglieder in einer Urabstimmung "klar für den Eintritt in die Regierung entschieden" hätten.
SPD muss einen neuen Anlauf wagen
Die SPD müsse in Deutschland in ihrer konkreten Politik neuen Anlauf wagen, um wieder den aktivierenden und emanzipationsorientierten Charakter des Sozialstaats zu entdecken, statt den passiven und oft genug überbürokratisierten Sozialhilfestaat immer weiter auszubauen", forderte Gabriel. Die SPD müsse die Veränderungen in der Welt neu beantworten.
Partei muss die Zukunft als Herausforderung sehen
"Das kann sie nur, wenn sie die Zukunft nicht immer nur als Zumutung empfindet, sondern als Herausforderung, die man bewältigen kann und will." Die Vorstellung von einer Welt, in der Bedingungen herrschen, unter denen der Lebensweg eines jeden Menschen offen und nicht durch Geburt, Einkommen der Eltern, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht bereits entschieden ist, wie das Leben verläuft, sei heute so attraktiv wie vor 156 Jahren, schreibt Gabriel, "offen ist allerdings, ob das "Gefäß", in der diese Ideen entwickelt, geschützt und unter das Volks gebracht werden, noch die heutige Sozialdemokratische Partei Deutschlands sein wird. Das ist nach wie vor möglich, aber eben keineswegs sicher." pm, ots
English version
In a guest article for the "Tagesspiegel" and the "Handelsblatt", Gabriel calls on his party to "hold a real debate about the future of social democratic politics in Germany and Europe in the coming decade".
This is something completely different from demanding "a few new billion-dollar demands for social spending," writes Gabriel. "The SPD acts according to the motto: if medicine does not work, we simply increase the dose. Consequently, the new SPD leadership is calling for a drastic increase in minimum wages and new billion-euro programmes for basic child safety. Voters' votes, however, could not be bought. Gabriel accused the party leadership of a "thematic-strategic dwarfing of the entire party to the social segment".
Criticism of the new leadership
Gabriel at the same time criticized his party and the new leadership. "Now the SPD gets a leadership in which one co-chairman thinks the "Grand Coalition is crap", but the other co-chairman would like to negotiate something new and additional with the CDU/CSU in order to stay in. It didn't look any different in the SPD leadership in 2017," writes former economics and foreign ministers, recalling that Norbert Walter-Borjans and Saskia Esken were able to win "just about 25 percent of the members for their course".
The SPD remains in government for fear of new elections
Gabriel predicts that the SPD will "naturally" remain in government for "fear of new elections and the loss of many seats in the German Bundestag". The SPD is no further ahead today than it was in December 2017 and is still struggling with the question "whether or not it should form a so-called "grand" coalition with the Union parties". Gabriel points out that two-thirds of the members had "clearly decided to join the government" in a ballot.
SPD must dare a new attempt
In Germany, the SPD must dare a new attempt in its concrete policy to rediscover the activating and emancipation-oriented character of the welfare state instead of continuing to expand the passive and often over-bureaucratised welfare state", demanded Gabriel. The SPD must answer the changes in the world anew.
Party must see the future as a challenge
"She can only do that if she doesn't always see the future as an imposition, but as a challenge that can and will be overcome." The idea of a world in which conditions prevail under which the path of life of every human being is open and not already decided by birth, parents' income, religion, skin colour or sex, how life proceeds, is today as attractive as it was 156 years ago, writes Gabriel, "it is open, however, whether the "vessel" in which these ideas are developed, protected and brought under the people will still be today's Social Democratic Party of Germany. That is still possible, but by no means certain." pm, ots, mei