Gründerlexikon hat bei den zuständigen Stellen nachgehakt und deckt auf, wie viele Anträge bisher bearbeitet wurden und wo es noch Antragsstau gibt.
Am Anfang ging alles ganz schnell, vielleicht zu schnell. Noch bevor der Bund über Soforthilfen für von der Coronakrise betroffene Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler entschieden hat, brachten die ersten Bundesländer eigene Hilfsprogramme auf den Weg. Ihr Kern waren Zuschüsse in Form von Transferleistungen, die die Liquidität der vom Coronavirus und seinen wirtschaftlichen Folgen gebeutelten Unternehmen sicherstellen sollten. Vor allem den sogenannten Solo-Selbstständigen und Freiberuflern, die meist über keine oder nur geringfügige Rücklagen verfügen, sollte dadurch zügig geholfen werden.
Anfängliche Schwierigkeiten verzögern Auszahlung der Soforthilfe
Mittlerweile zahlen die Bundesländer vorwiegend die vom Bund bereitgestellten Zuschüsse in Höhe von 9.000 (bis fünf Beschäftigte) bzw. 15.000 Euro (bis zehn Beschäftigte) aus, für deren Verteilung sie zuständig sind. Einige Länder stocken diesen Sockel mit Zuschüssen für Unternehmen bis zu 250 Mitarbeitern auf. Die verschiedenen Hilfsprogramme haben anfänglich für Chaos gesorgt, trotzdem gingen die ersten Auszahlungen schnell vonstatten. Doch sich ständig ändernde Voraussetzungen, technische Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Antragsflut, Datenschutzprobleme und Betrugsversuche brachten die Antragsbearbeitung und Auszahlungen ins Stocken.
Sachsen hat fast alle Anträge bearbeitet
Sachsen hat fast alle Anträge bearbeitet, Sachsen-Anhalt gerade einmal die Hälfte
Mittlerweile wächst der Frust bei all jenen, die bisher trotz Antragstellung leer ausgegangen sind. Auch in der Facebook-Gruppe "Corona-Soforthilfe von und für Unternehmer" vom Gründerlexikon wurden die Klagen zuletzt immer lauter. Über 19.100 Selbstständige tauschen sich hier bereits seit Anfang März rege aus. Auf mehr als 6.600 Beiträge wurden bisher 100.480 Kommentare abgegeben. Die Soforthilfe und ihre Abwicklung in den einzelnen Bundesländern ist dabei das am meisten diskutierte Thema.
Sachsen-Anhalt hat die Hälfte der Anträge bearbeitet
Das Gründerlexikon (https://www.gruenderlexikon.de/) hat die Klagen zum Anlass genommen und sich bei den zuständigen Stellen aller 16 deutschen Bundesländer über den Bearbeitungsstatus der Soforthilfe-Anträge informiert. Während Sachsen mit 96,70 Prozent fast alle der 73.808 bisher eingegangenen Anträge bearbeitet hat, sind es in Sachsen-Anhalt mit 51,18 Prozent gerade einmal etwas mehr als die Hälfte.
Bayern hängt mit Bearbeitung deutlich hinterher
Obwohl der Freistaat Bayern das erste Bundesland war, das betroffenen Selbstständigen zwischen 5.000 und 30.000 Euro in Aussicht gestellt hat, scheint die Antragsbearbeitung hier verhältnismäßig langsam voranzugehen. Das flächenmäßig größte Bundesland hat bisher 250.000 von 430.000 Anträgen abgearbeitet, was 58,14 Prozent entspricht. In Nordrhein-Westfalen, wo nochmals 15.000 Anträge mehr eingegangen sind, wurden hingegen bereits 90,34 Prozent bearbeitet. Hier wird dem Freistaat seine Vorreiterrolle zum Verhängnis. Denn anfangs mussten die Formulare in Papierform eingereicht werden, was nicht nur mehr Verwaltungsaufwand bedeutet, sondern auch mehr Fehlerpotenzial birgt.
Selbstständige und Freiberufler länger im Ungewissen gelassen
In NRW, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, hat man seine Selbstständigen und Freiberufler hingegen anfangs länger im Ungewissen gelassen und zunächst auf die Ausgestaltung des Bundesprogramms gewartet. Dafür wurde von Anfang an ein vollelektronischer Antragsprozess bereitgestellt, auch wenn dieser infolge von Betrugsversuchen für einige Tage pausiert werden musste.
Dezentrale Antragsbearbeitung kein Garant für Schnelligkeit
Sowohl Bayern als auch Nordrhein-Westfalen haben sich für eine dezentrale Bearbeitung der Soforthilfe-Anträge entschieden. Durch die Verteilung der Verantwortung auf die jeweiligen Regierungsbezirke bzw. Bezirksregierungen ist mehr Manpower vorhanden, als wenn die Anträge zentralisiert beim Ministerium oder der Landesbank abgearbeitet werden müssten. Einzelne Institutionen sahen und sehen sich zum Teil enormen Herausforderungen ausgesetzt. So sind bei der Thüringer Aufbaubank als zentrale Anlaufstelle seit Auferlegung des Soforthilfe-Programms über 60.000 Anträge eingegangen. Um die Welle der Anträge abarbeiten zu können, mussten Mitarbeiter aus allen Abteilungen zusammengezogen werden. Mittlerweile sind hier aber schon fast 95 Prozent abgearbeitet.
Von den bundesweit 2,14 Mio. gestellten Anträgen sind 77 % bearbeitet
Ihrer Größe entsprechend haben Nordrhein-Westfalen (4 Milliarden Euro), Bayern (1,5 Milliarden Euro) aber auch Berlin (1,8 Milliarden Euro) bisher am meisten Soforthilfe ausgezahlt. Bremen verzeichnet mit 10.000 Anträgen die geringste Zahle (1,5 Millionen Euro ausgezahlt).
Insgesamt wurden bundesweit bisher 2,14 Millionen Anträge auf Soforthilfe-Zuschuss gestellt, wovon bisher 77 % bearbeitet sind. In der Regel haben die Bundesländer auf eine genaue Liquiditätsprüfung verzichtet und zunächst den Maximalbetrag an die Unternehmen ausgezahlt. Sofern die Begünstigten diesen vollständig benötigen, um ihre Liquidität aufrechtzuerhalten, muss der Zuschuss nicht zurückgezahlt werden. Der Bund verspricht, dass ausreichend Mittel für alle antragsberechtigten Unternehmer vorhanden sind.
Die Zusammenfassung
- Gründerlexikon hat sich in allen Bundesländern nach dem Bearbeitungsstatus der Soforthilfe-Anträge (Direktzuschüsse) erkundigt
- Von den bundesweit 2,14 Mio. Anträgen sind im Durchschnitt bisher 77 % bearbeitet
- Die meisten bearbeiteten Anträge: Sachsen (96,70 %), Thüringen (94,65 %), Nordrhein-Westfalen (90,34 %)
- Die wenigsten bearbeiteten Anträge: Sachsen-Anhalt (51,18 %), Bayern (58,14 %), Schleswig-Holstein (60,61 %)
- Die meisten Anträge in Summe: Nordrhein-Westfalen (445.000), Bayern (430.000), Baden-Württemberg (250.356)
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