Prognose: Deutsche Wirtschaft kommt nur langsam wieder in Fahrt - Arbeitslosigkeit steigt auf sechs Prozent

 

Im laufenden zweiten Quartal wird die hiesige Wirtschaftsleistung noch erheblich stärker einbrechen als im ersten Vierteljahr. Damit steckt Deutschland in der tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Gegenüber dem vergangenen Jahr dürfte das Bruttoinlands-produkt um voraussichtlich 9,4 Prozent sinken, wie aus der neuesten Konjunkturprog-nose des Deutschen Instituts für Wirtschafts-forschung (DIW Berlin) hervorgeht. 

 

In dieser Prognose wird unterstellt, dass die Ausbreitung des Corona-Virus nachhaltig eingedämmt werden kann. Gelingt dies, wird die Wirtschaftsleistung im Zuge der Lockerungen zwar schon ab dem dritten Quartal wieder ausgeweitet, allerdings nur sehr schleppend. Trotz der Maßnahmen der Soforthilfe für Unternehmen sind eine rasche Erholung und ein Anknüpfen an die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen zehn Jahre ohne weiteres Zutun nicht zu erwarten. Die Verluste werden im kommenden Jahr bei weitem noch nicht wettgemacht – die deutsche Wirtschaft dürfte aus heutiger Sicht um dann 3,0 Prozent wachsen. Das jüngst beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung stützt die Konjunktur spürbar. Wird es so umgesetzt, dürfte der wirtschaftliche Einbruch mit -8,1 Prozent in diesem Jahr geringer und die Erholung mit 4,3 Prozent im nächsten Jahr kräftiger ausfallen.

 

 

Konjunkturprognosen sind mit Unsicherheiten verbunden

 

Konjunkturprognosen sind derzeit mit erheblichen Unsicherheiten verbunden – unterschiedliche Szenarien erscheinen möglich. Das wahrscheinlichste Szenario für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft ist nach Einschätzung des DIW Berlin derzeit ein U: Dem scharfen Einbruch folgt eine Durststrecke, bevor es allmählich bergauf geht. Einkommenseinbußen und Unsicherheit drücken auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Kommt eine zweite Infektionswelle mit erneuten Einschränkungen, ließen sich deutlich steigende Insolvenzen und Einkommenseinbußen kaum vermeiden. Ein solches L-Szenario könnte sich zu einer Banken- und Staatsschuldenkrise ausweiten. Auf eine zügigere Erholung ließe sich nur hoffen, wenn bald ein Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Dann könnte es wie in einem V auch schneller bergauf gehen.

 

Unternehmen und private Haushalte halten sich zurück

 

Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung sorgt dafür, dass sich Unternehmen und private Haushalte mit der Anschaffung von Investitions- und größeren Konsumgütern zurückhalten. Kurzarbeit und Entlassungen belasten die Kaufkraft der Menschen in Deutschland und senken deren Nachfrage. Massive Umsatzausfälle und steigende Schulden schränken wiederum die Spielräume vieler Unternehmen ein, die im Zuge dessen weniger oder gar nicht in ihre Produktionskapazitäten investieren und teilweise Beschäftigte entlassen müssen. So dürfte die Arbeitslosigkeit in Deutschland um rund 500.000 Personen auf im Jahresdurchschnitt gut 2,7 Millionen steigen. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,0 Prozent.

 

Krise ist nicht auf den deutschen Absatzmarkt beschränkt

 

Für die Unternehmen kommt erschwerend hinzu, dass die Krise nicht auf den deutschen Absatzmarkt beschränkt ist, sondern nahezu alle Länder betroffen sind – viele davon noch weitaus stärker, beispielsweise die USA und das Vereinigte Königreich, aber auch wichtige Handelspartner innerhalb des Euroraums wie Spanien und Italien. Vielerorts sind die Arbeitslosenzahlen in die Höhe geschnellt, Lieferketten unterbrochen und Unternehmen insolvent gegangen. Das trifft die auf Investitionsgüter wie Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge spezialisierte deutsche Exportindustrie besonders. Insgesamt dürfte die Weltwirtschaft in diesem Jahr um rund fünf Prozent einbrechen. Hinzu kommt die Gefahr, dass Handelskonflikte weiter eskalieren und sich die Europäische Union und das Vereinigten Königreich nicht auf ein Brexit-Abkommen einigen können.

 

Stärkerer Fokus auf Investitionen würde Wachstumspotential erhöhen 

 

Umso wichtiger ist es, der Konjunktur in Deutschland wieder auf die Beine zu helfen. Die Bundesregierung hat nach Ansicht der DIW-KonjunkturforscherInnen beherzt und umsichtig reagiert. Zunächst, indem mit Krediten, Garantien und Bürgschaften Unternehmen zur Seite gesprungen wurde. Auch die Einkommen der privaten Haushalte wurden mit Instrumenten wie dem Kurzarbeitergeld, Einmalzahlungen und Zuschüssen stabilisiert. Jüngst wurde ein umfangreiches Konjunkturprogramm mit einem Volumen von etwa 130 Milliarden Euro beschlossen, das unter anderem die Mehrwertsteuer vorübergehend senkt und Familien einen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind gewährt. 

 

Viele Maßnahmen stützen die Konsumnachfrage

 

Viele der insgesamt rund 50 Maßnahmen dürften kurzfristig die Konsumnachfrage stabilisieren, es wurden aber auch erste Schritte unternommen, um Investitionen in den Bereichen Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung anzuschieben. Unter dem Strich dürfte das Konjunkturpaket DIW-Berechnungen zufolge die Wirtschaftsleistung in diesem und im nächsten Jahr um 1,3 Prozentpunkte erhöhen und damit wesentlich dazu beitragen, dass die Wirtschaft wieder in die Spur kommt.

 

Stärkung der Investitionstätigkeit ist sinnvoll

 

Wünschenswert ist eine weitere Stärkung der Investitionstätigkeit, mit der das zukünftige Wachstumspotential erhöht werden kann und damit auch die Rückzahlung der jetzt aufgenommenen Schulden in Zukunft erleichtert wird. Eine konsequente Neuausrichtung der deutschen Wirtschaft auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung ist bisher ausgeblieben. 

Ergänzend zu und teilweise anstelle des unterbreiteten Konjunkturprogramms schlägt das DIW Berlin Maßnahmen vor, die sich an zusätzlichen Investitionsbedarfen in Richtung eines digitalen, ressourcen- und klimaschonenden Umbaus der Industrienation Deutschland orientieren.

 

Investitionen in Schlüsseltechnologien

 

Ein besonderer Fokus liegt auf Investitionen in Schlüsseltechnologien, innovativen Gründungen, effizienten Bildungssystemen, umweltschonenden Infrastrukturen und kommunaler Daseinsvorsorge. Dies würde das Wachstum der deutschen Wirtschaft sogar dauerhaft anheben.

Ein entsprechendes Programm, das unter anderem einen Investitionsfonds für Unternehmen, eine Entschuldung der Kommunen, Impulse für die Digitalisierung sowie Forschung und Entwicklung, aber auch die Bildung und das Gründungsgeschehen in den Blick nimmt, würde spürbare Wachstumsimpulse entfalten. Bei einem Volumen von rund 192 Milliarden Euro würde das jährliche Wachstum in den kommenden zehn Jahren um durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr erhöht und die Beschäftigung um mehr als 800 000 Arbeitsplätze aufgebaut. pm, diw

 

English version

 

The corona crisis has inflicted deep wounds on the German economy, which are only likely to heal slowly despite a courageous economic policy - this is what DIW Berlin's economic researchers consider to be the most likely scenario for economic development.

 

In the current second quarter, economic output here will slump even more sharply than in the first quarter. Germany is thus in the deepest recession in post-war history. Compared to last year, gross domestic product is expected to fall by 9.4 percent, according to the latest economic forecast of the German Institute for Economic Research (DIW Berlin). 

 

This forecast is based on the assumption that the spread of the corona virus can be contained in the long term. If this is successful, economic output will expand again from the third quarter onwards as a result of the easing, but only very slowly. Despite the emergency aid measures for companies, a rapid recovery and a continuation of the economic development of the past ten years cannot be expected without further action. The losses will by no means be made up for in the coming year - from today's perspective, the German economy should then grow by 3.0 percent. The German government's recently adopted economic stimulus package is providing tangible support for the economy. If it is implemented in this way, the economic slump of -8.1 percent this year will be less severe and the recovery will be stronger next year at 4.3 percent.

 

Economic forecasts are associated with uncertainties

 

Economic forecasts are currently associated with considerable uncertainty - different scenarios seem possible. According to DIW Berlin, the most probable scenario for the development of the German economy is currently a U: The sharp slump is followed by a dry spell before gradually improving. Loss of income and uncertainty are putting pressure on overall economic demand. If a second wave of infection comes with renewed restrictions, it will be virtually impossible to avoid a significant increase in insolvencies and income losses. Such an L-scenario could develop into a banking and public debt crisis. A more rapid recovery could only be hoped for if a vaccine is soon available in sufficient quantities. Then, as in a V, things could also start to improve more quickly.

 

Companies and private households are holding back

 

Uncertainty about future developments is causing companies and private households to hold back on the purchase of capital and major consumer goods. Short-time work and redundancies are weighing on the purchasing power of people in Germany and reducing demand. Massive sales shortfalls and rising debt in turn restrict the scope for many companies to invest less or not at all in their production capacities and in some cases have to lay off employees. Unemployment in Germany, for example, is likely to rise by around 500,000 people to an annual average of a good 2.7 million. This corresponds to an unemployment rate of 6.0 percent.

 

The crisis is not limited to the German sales market

 

What makes things even more difficult for companies is that the crisis is not limited to the German sales market, but is affecting almost all countries - many of them even more so, for example the USA and the United Kingdom, but also important trading partners within the euro zone such as Spain and Italy. In many places, unemployment figures have skyrocketed, supply chains have been disrupted and companies have gone bankrupt. This is particularly affecting the German export industry, which specialises in capital goods such as machinery, plant and vehicles. All in all, the global economy is likely to collapse by around five percent this year. There is also the danger that trade conflicts will escalate further and that the European Union and the United Kingdom will not be able to agree on a brexite agreement.

 

Stronger focus on investment would increase growth potential 

 

This makes it all the more important to help the economy in Germany get back on its feet. In the opinion of the DIW economic researchers, the Federal Government has reacted boldly and prudently. First of all, by jumping on the side of companies with loans, guarantees and sureties. Private households' incomes were also stabilized with instruments such as short-time working allowances, one-off payments and subsidies. Recently, a comprehensive economic stimulus package with a volume of around 130 billion euros was adopted, which, among other things, temporarily lowers VAT and grants families a child bonus of 300 euros per child. 

 

Many measures support consumer demand

 

Many of the total of around 50 measures are likely to stabilise consumer demand in the short term, but initial steps have also been taken to stimulate investment in the areas of climate protection, digitisation and education. The bottom line, according to DIW calculations, is that the economic stimulus package should increase economic output by 1.3 percentage points this year and next year, thus making a significant contribution to getting the economy back on track.

 

Strengthening investment activity makes sense

 

A further strengthening of investment activity is desirable to increase future growth potential and thus also to facilitate the repayment of the debt taken up now in the future. A consistent reorientation of the German economy towards sustainability and digitisation has so far failed to materialise. 

In addition to, and in some cases instead of, the economic stimulus package that has been presented, DIW Berlin is proposing measures that are geared to additional investment needs in the direction of a digital, resource- and climate-friendly transformation of Germany as an industrialized nation.

 

Investments in key technologies

 

A special focus is on investments in key technologies, innovative start-ups, efficient education systems, environmentally friendly infrastructures and municipal services of general interest. This would even boost the growth of the German economy in the long term.

A corresponding programme, which would include an investment fund for companies, debt relief for local authorities, impulses for digitisation and research and development, but also education and start-ups, would provide noticeable growth impulses. With a volume of around EUR 192 billion, annual growth over the next ten years would increase by an average of 0.5 percent per year and employment would be increased by more than 800,000 jobs. pm, diw, mei