In den ersten fünf Monaten dieses Jahres gingen im weltgrößten Tropenwaldgebiet über 2.000 Quadratkilometer Wald verloren, wie das brasilianische Weltrauminstitut INPE mitteilte. Das entspricht einem Anstieg von 34 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr und 49 Prozent mehr als dem Durchschnitt der letzten vier Jahre (2016 bis 2019).
Besonders betroffen waren die Bundesstaaten Pará, Amazonas und Mato Grosso. "Der Amazonas steuert auf eine existenzielle Katastrophe zu", warnt Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland. "2019 hatten wir die höchste Zerstörung seit zehn Jahren und nun deutet alles darauf hin, dass 2020 ein noch schlimmeres Jahr für den Regenwald wird. Erreichen wir nicht bald eine Trendumkehr, könnte der Amazonas langfristig verloren gehen."
20 Prozent des Regenwaldes sind schon zerstört
Insgesamt seien bereits rund 20 Prozent des ursprünglichen Amazonas-Regenwaldes zerstört. Wissenschaftler rechneten damit, dass der Kipp-Punkt bei spätestens 25 Prozent zerstörter Fläche erreicht ist. Ab diesem Moment könnte das Ökosystem derart gestört sein, dass der Amazonas seine Funktion als Klimaanlage der Erde verliert und sich großflächig in eine Steppe verwandelt.
Die Entwaldung hat vor allem politische Gründe
Laut WWF habe die Entwaldung vor allem politische Gründe. Präsident Bolsonaro setze alles daran, die kurzfristigen Interessen der Agro-Lobby durchzusetzen. Seit seinem Amtsantritt seien die Behörden, die den Schutz des Waldes überwachen und durchsetzen, durch Mittel-kürzungen massiv geschwächt worden. "Die Botschaft, wonach illegales Holzfällen oder Landgrabbing geduldet werden, ist angekommen. In Teilen des Amazonas herrschen heute Wildwest-Zustände. Die Konsequenz dieser Politik können wir nun beobachten - Schutzgebiete und indigene Territorien sind quasi zum Abschuss freigegeben. Die Leidtragenden sind nicht nur die Umwelt, sondern auch die Indigenen sowie die große Mehrheit aller Brasilianerinnen und Brasilianer."
Im Corona-Monat März stieg die Entwaldung um 50 Prozent
Angefeuert werde die Zerstörung aktuell durch die Corona-Pandemie, von der Brasilien besonders stark betroffen ist. Eine kürzlich vom WWF veröffentlichte Analyse zeige, dass die Entwaldung im größten Land Südamerikas während des ersten "Corona-Monats" März um über 50 Prozent in die Höhe geschnellt ist im Vergleich zu den Vorjahren, weil die staatlichen Kontrolleure deutlich weniger präsent seien. Zeitgleich versucht die Regierung Bolsonaro während der Pandemie, den Schutz des Amazonas gezielt aufzuweichen. Das geht aus einem Video einer Kabinettssitzung der brasilianischen Bundesregierung hervor. Darin fordert Umweltminister Ricardo Salles entsprechende Gesetzesänderungen zur Liberalisierung und Vereinfachung von Rodungen. Das aktuelle Zeitfenster müsse genutzt werden, um die Reformen ohne einen gesellschaftlichen Aufschrei durchzusetzen. Gemeinsam mit anderen brasilianischen Nichtregierungsorganisationen forderte der WWF den Rücktritt Salles'.
Unternehmen müssen dringend ihre Lieferketten überprüfen
Daneben weisen die Umweltschützer auch auf die Verantwortung anderer Staaten und ausländischer Unternehmen hin. Deutsche und europäische Unternehmen müssten dringend ihre Lieferketten überprüfen und entwaldungsfrei gestalten. Das gelte insbesondere für Firmen, die Soja oder andere Agrarrohstoffe aus Brasilien beziehen bzw. in ihren Lieferketten haben. Von der deutschen Bundesregierung erwartet der WWF, sich in den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten für bessere soziale und ökologische Standards einzusetzen. Dringend notwendig sei darüber hinaus eine EU-weite Gesetzgebung zu entwaldungsfreien Lieferketten. Es dürften keine Waren importiert werden, für die der Regenwald abgeholzt wurde. Dieser Grundsatz müsse verbindlich gelten und nicht vom Gutdünken einzelner Unternehmen abhängen. Die Europäische Union habe hier eine besondere Verantwortung - rund ein Sechstel aller hier gehandelten Lebensmittel trügen zur Entwaldung in den Tropen bei. pm, ots
English version
In the first five months of this year, over 2,000 square kilometres of forest were lost in the world's largest tropical forest area, according to the Brazilian space institute INPE. This represents an increase of 34 percent over the same period last year and 49 percent more than the average of the last four years (2016 to 2019).
The states of Pará, Amazonas and Mato Grosso were particularly affected. "The Amazon is heading for an existential catastrophe," warns Roberto Maldonado, Brazil consultant at WWF Germany. "In 2019 we had the highest destruction in ten years and now everything points to 2020 being an even worse year for the rainforest. If we don't reverse the trend soon, the Amazon could be lost in the long run.
20% of the rainforest has already been destroyed
In total, around 20 percent of the original Amazon rainforest has already been destroyed. Scientists reckon that the tipping point will be reached at the latest when 25 percent of the area is destroyed. From this moment on, the ecosystem could be so disturbed that the Amazon loses its function as the earth's air conditioning system and is transformed into a steppe over a large area.
The deforestation has mainly political reasons
According to the WWF, the deforestation is mainly for political reasons. President Bolsonaro is doing everything possible to push through the short-term interests of the agro-lobby. Since he took office, the authorities that monitor and enforce forest protection have been massively weakened by budget cuts. "The message that illegal logging or landgrabbing is tolerated has been received. Wild west conditions prevail in parts of the Amazon today. We can now observe the consequences of this policy - protected areas and indigenous territories are virtually open for shooting. The victims are not only the environment, but also the indigenous people and the vast majority of all Brazilians."
In the Corona month of March deforestation increased by 50 percent
The destruction is currently being fueled by the corona pandemic, which has hit Brazil particularly hard. According to a recent analysis published by the WWF, deforestation in South America's largest country during the first "corona month" of March skyrocketed by more than 50 percent compared to previous years because of the significantly lower presence of state controllers. At the same time, during the pandemic, the Bolsonaro government is trying to soften the protection of the Amazon in a targeted manner. This is shown in a video of a cabinet meeting of the Brazilian federal government. In it, Environment Minister Ricardo Salles calls for corresponding changes in the law to liberalise and simplify deforestation. The current window of opportunity must be used to push through the reforms without a social outcry. Together with other Brazilian non-governmental organisations, the WWF demanded Salles' resignation.
Companies must urgently review their supply chains
Environmentalists also point out the responsibility of other states and foreign companies. German and European companies urgently need to review their supply chains and make them deforestation-free. This applies in particular to companies that purchase soya or other agricultural raw materials from Brazil or have them in their supply chains. The WWF expects the German Federal Government to work for better social and ecological standards in the negotiations on the free trade agreement between the EU and the South American Mercosur states. Furthermore, EU-wide legislation on deforestation-free supply chains is urgently needed. No goods should be imported for which the rainforest has been cleared. This principle must be binding and not depend on the discretion of individual companies. The European Union has a special responsibility here - about one sixth of all food traded here contributes to deforestation in the tropics. pm, ots, mei