"Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass die Bundesliga in zehn Jahren immer noch so erfolgreich sein wird wie heute. Das ist kein Automatismus. Kinder und Jugendliche haben heute ein ganz anderes Mediennutzungsverhalten und eine andere Reizschwelle. Ob die noch ein komplettes Bundesligaspiel im November bei Nieselregen sehen wollen, ist fraglich", erklärte Seifert, Chef der Deutschen Fußball-Liga (DFL), im Interview mit dem Magazin Stern.
Die Fußball-Bundesliga konkurriere in Zukunft nicht nur mit der englischen Premier League um die Gunst der Zuschauer, sondern auch mit Streaming-Anbiertern wie Netflix. "Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit ist überall, und wir werden ihn nicht fernhalten können, bloß weil wir die Bundesliga sind", glaubt Seifert.
Gefahr der Insolvenzen ist noch nicht gebannt
Die Gefahr von durch die Corona-Krise ausgelösten Insolvenzen in beiden Bundesligen sieht Seifert trotz des laufenden Spielbetriebs nicht als gebannt an. Er sei sich nicht absolut sicher, dass alle Vereine unbeschadet durch diese Krise kämen. "Ich kann und werde nicht die Hand für jeden Klub ins Feuer legen, weil ich nicht für jeden einzelnen der 36 Klubs verantwortlich bin."
Starker Stress zu Beginn der Pandemie
Er selbst habe gerade zu Beginn der Pandemie, als auch der Fußball ruhte, stark unter Stress gestanden. Der Zwiespalt zwischen der Gesundheit der Spieler und einem schnellen Wiederbeginn des Spielbetriebes habe ihm zugesetzt: "Am Anfang habe ich den Druck massiv gespürt. Ich hatte einige Nächte mit wenig Schlaf."
Heute wünscht sich Seifert einen anderen Umgang mit der Corona-Krise in der gesamten Gesellschaft: "Die generelle Besetzung von Alltagsthemen mit Angst in Deutschland - das macht etwas mit dieser Gesellschaft. Und vor den Folgen habe ich Sorge. Die permanente Kommunikation unterschwelliger Todesgefahr löst Kollateralschäden aus, die wir jetzt noch nicht sehen, aber die viele Unternehmen noch merken werden."
Angst wird vermittelt
Die Angst werde vor allem "von Teilen der Politik, aber auch teilweise aus dem medizinischen Lager" vermittelt. "Die einordnenden Stimmen dringen nicht mehr durch. Das Festmachen am R-Wert oder an der Inzidenzrate kann meiner Meinung nach dazu führen, dass wir uns nicht in einer Scheinsicherheit, sondern auch einer Scheingefahr bewegen."
Die Fakten stärker in den Vordergrund stellen
Man müsse nicht nur die Disziplin in der Bevölkerung, sondern auch die Moral hochhalten. "Sonst passiert das, was wir zuletzt an lauen Sommerabenden in vielen Städten erlebten: Menschen verspüren keine Angst, weil unser Gesundheitssystem die Situation gut unter Kontrolle hat. Sie sollen sich aber eigentlich nach wie vor einschränken. Also bilden sie sich ihre eigene Wahrheit. Wir erreichen über das Schüren von Angst gewisse Gruppen nicht mehr. Wir müssen die Fakten stärker in den Vordergrund stellen. Aber eben alle Fakten."
pm, ots, Quelle: Stern
English version
According to Christian Seifert, German soccer is facing far-reaching reforms in the medium term if it is to remain competitive on an international level.
"We must not assume that in ten years' time the Bundesliga will still be as successful as it is today. This is not an automatism. Children and young people today have a completely different media usage behavior and a different stimulus threshold. It is questionable whether they still want to watch a complete Bundesliga match in November in drizzle," explained Seifert, head of the German Soccer League (DFL), in an interview with Stern magazine.
In the future, the German Soccer League will not only compete with the English Premier League for the favor of the viewers, but also with streaming providers like Netflix. "The competition for attention is everywhere, and we won't be able to keep it away just because we are the Bundesliga," Seifert believes.
Danger of bankruptcies is not yet averted
Seifert does not consider the danger of insolvencies in both Bundesliga divisions triggered by the Corona crisis to be averted, despite the ongoing gaming operations. He is not absolutely sure that all clubs will come through this crisis unscathed. "I cannot and will not put my hand on the fire for every club, because I am not responsible for every single one of the 36 clubs.
Severe stress at the beginning of the pandemic
He himself had been under a lot of stress at the beginning of the pandemic, when soccer was also at rest. The conflict between the health of the players and a quick restart of the game had caused him great distress: "At the beginning I felt the pressure massively. I had a few nights with little sleep".
Today, Seifert would like to see a different way of dealing with the Corona crisis in society as a whole: "The general occupation of everyday topics with fear in Germany - that does something to this society. And I am worried about the consequences. The permanent communication of subliminal danger of death triggers collateral damage, which we do not see yet, but which many companies will still notice".
Fear is communicated
The fear is conveyed above all "by parts of politics, but also partly from the medical camp". "The classifying voices no longer penetrate. In my opinion, clinging to the R-value or the incidence rate can lead to the fact that we are not moving in a sham security, but also a sham danger.
Bringing the facts more to the fore
Not only the discipline of the population had to be maintained, but also morale. "Otherwise, what we have recently experienced on warm summer evenings in many cities will happen: people will not feel fear because our health system has the situation well under control. But they are actually still supposed to limit themselves. So they form their own truth. By stirring up fear, we no longer reach certain groups. We must put more emphasis on the facts. But just all the facts."
pm, ots, mei, source: Stern