Ganz abgesehen davon, dass noch viele weitere Prozesse in dem Tatkomplex ausstehen und dass die Polizei 30 000 Spuren zu möglichen Taten und Tätern verfolgt, ganz abgesehen davon also hat der jetzt verurteilte Jörg L. formuliert, warum das Urteil auch im konkreten Fall seiner Opfer, seiner Familie nichts in Ordnung bringen kann. Zitat Jörg L.: "Das Leben meiner Frau und meiner Tochter ist komplett versaut."
Die Folgen seiner Taten werden in Jahrzehnten noch gegenwärtig sein. Da kann nichts zu den Akten gelegt werden. Debatte über Prävention steht im Vordergrund Wenn es um Sexualdelikte an Kindern geht, dann reden wir zu Recht viel von Prävention und auch viel von Ermittlungsansätzen. Wie kann man Menschen mit pädosexueller Neigung identifizieren? Bei Jörg L. fiel weder seiner Frau noch seinen Nachbarn und Kollegen etwas auf. Und muss es zur besseren Verfolgung von Kinderpornografie Einschränkungen beim Datenschutz geben? Alles legitime Fragen, über deren Diskussion aber ein wichtiges Thema zu kurz kommt: Was passiert eigentlich nach Aufdeckung solcher Taten?
15.700 Kinder wurden Opfer
15 700 Kinder wurden 2019 Opfer solcher Delikte, allein im Tatkomplex Bergisch Gladbach sind 50 betroffene Kinder in Obhut der Behörden. Was wird aus ihnen? Viele werden ihr Leben lang Therapie brauchen. Manches Opfer suchen von sich aus nie um Unterstützung nach. Auch Jörg L. gehörte übrigens dazu, der ja selbst als Kind von einem nie geahndeten Sexualdelikt betroffen war. Ja, was geschieht mit ihm und anderen Tätern? Wegsperren ist nur eine Antwort auf Zeit.
Die wichtigsten Fragen sind offen
Nicht einmal die gegen L. verhängte Sicherungsverwahrung dauert garantiert ein Leben lang, sie ist immer wieder zu überprüfen. Viele der jetzt schon über 200 Verdächtigen im Bergisch Gladbacher Tatkomplex werden ohnehin nur kurze Strafen, oft auf Bewährung, wegen Erwerbs von Kinderpornografie zu erwarten haben. Wir werden mit ihnen zusammenleben müssen, so sehr wir ihre Taten verabscheuen. Wie schaffen wir das? Das Urteil ist da, aber die wichtigsten Fragen sind offen. pm, ots; Quelle: Kölnische Rundschau, Autor: Raimund Neuß