Update zur US-Wahl 2020: Donald Trump gegen Joel Biden - Meinungen und Stimmen

 

Badische Zeitung

 

Ein Referendum über Donald Trump

 

Biden steht für Kompromiss und Regierungserfahrung. Wenn man so will, steht er für die Rückkehr zur alten Ordnung, nicht für den Aufbruch zu neuen Ufern. Warum er gewonnen hat, werden Politikwissenschaftler ergründen. Eines kann man mit Gewissheit sagen: Es war ein Referendum über Trump, keine Abstimmung über Biden. 

 

Norbert Walter-Borjans (SPD)

 

Neue Maßstäbe bei Verteidigungsausgaben

 

Angesichts des erwarteten Festhaltens an höheren deutschen Verteidigungsausgaben durch einen US-Präsidenten Joe Biden hat sich die SPD dafür ausgesprochen, zu einem neuen Maßstab zu gelangen. "Das Bruttoinlandsprodukt ist als Maßstab für Rüstung ungeeignet", sagte SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans der Düsseldorfer "Rheinischen Post.

 

Dies würde bedeuten, dass man in der Rezession abrüste und bei Wirtschaftswachstum aufrüste, erläuterte Walter-Borjans. Außerdem komme es darauf an, was alles als Verteidigungsausgaben zähle. In den USA flössen auch Mittel aus dem Verteidigungsministerium in die Entwicklung von Quanten-Computern. "Ich hätte nichts gegen massive Forschungsförderung in diesem Bereich auch bei uns", erklärte der SPD-Chef.

 

"Aber die Diskussion über zwei Prozent vom BIP für völlig unterschiedlich abgegrenzte Ausgaben halte ich für Unsinn", unterstrich Walter-Borjans. Er plädierte dafür, die Diskussion zu versachlichen. "Maßstab muss sein, wie Sicherheit in der Welt gewährleistet werden kann", schlug der SPD-Vorsitzende vor. Dazu gehörten auch die Ausgaben für internationale Entwicklungszusammenarbeit.

 

Michael Hüther (Wirtschaftsexperte)

 

Beziehungen bleiben auch unter Biden schwierig

 

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA werden nach Einschätzung des Direktors des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, auch unter einem möglichen Präsidenten Jo Biden schwierig bleiben. "Der Ton würde moderater werden, aber in der Sache kann auch Biden hart sein", sagte Hüther der "Saarbrücker Zeitung" (Sonnabend-Ausgabe). 

 

Von Biden sei zumindest zu erwarten, dass internationale Verträge und Organisationen wie etwa die WTO wieder einen höheren Stellenwert in der US-Politik bekämen, erläuterte Hüther. "Mit Biden würde sich aber wenig an den Zielen ändern. Auch er würde wohl Handelsabkommen in Frage stellen, wenn er zu dem Schluss käme, dass sie ein schlechter Deal für die USA sind", so der Ökonom.

 

ZDF (US-Wahlen)

 

Die ZDF-Berichterstattung über die US-Wahl ist am gestrigen Mittwoch, 4. November 2020, auf eine außerordentlich hohe Zuschauerresonanz gestoßen.

Mit 8,26 Millionen Visits für die ZDFmediathek beziehungsweise 4,27 Millionen Visits für die ZDF-Nachrichtenangebote wurden Rekordwerte erzielt. Bislang sind das die zweithöchsten jemals gemessenen Werte für die ZDFmediathek. Die höchste Tagesnutzung wurde am 27. Juni 2018 bei der Fußball-WM (Südkorea gegen Deutschland) mit 9,36 Millionen Visits erzielt. 

Auch die "Spezial"-Sendungen und "heute"-Nachrichtenformate im ZDF-Hauptprogramm erreichten hohe Einschaltquoten. Die 19.00 Uhr-"heute"-Sendung verfolgten 6,15 Millionen ZDF-Zuschauer am Bildschirm. Das "heute journal" kam ab 21.50 Uhr auf 5,90 Millionen und das "ZDF spezial" auf 4,58 Millionen. Auch das "auslandsjournal spezial" und "Markus Lanz" zu später Stunde wollten noch 3,01 Millionen beziehungsweise 2,67 Millionen sehen.

Markus Söder

(Ministerpräsident Bayern):

Mit allen Präsidenten zusammenarbeiten

 

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) baut weiter auf die enge Kooperation zwischen den USA und Deutschland, egal wer dort Präsident wird. "Deutschland muss mit jedem Präsidenten der USA zusammenarbeiten", sagte der CSU-Politiker der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Online-Ausgabe). Söder sagte weiter: "Alles, was in den USA passiert, hat Einfluss auf uns. Die USA sind die westliche Führungsmacht, nicht nur militärisch, sondern auch kulturell." Deshalb sei es von den Inhalten her gar nicht so entscheidend, wer letztlich Präsident wird. 

 

Im Stil macht der CSU-Politiker dagegen große Unterscheide zwischen den beiden Bewerbern um das höchste politische Amt der USA aus. "Was wir in den letzten Stunden und Monaten erlebt haben, ist schon, dass sich Demokratie dort zu verändern beginnt", sagte Söder. Die Grundlagen der Demokratie seien nicht nur gesetzlich fixiert, sie gründeten auch auf Einstellungen. Söder: "Demokratie legitimiert sich dadurch, dass man den anderen respektiert, dass man seine Meinung anerkennt, dass man sich Mühe gibt, sich mit dessen Meinung auseinanderzusetzen." Dieses Fundament der Demokratie "wird sich, glaube ich, anders entwickeln, je nachdem, wer Präsident ist", sagte Söder. 

 

Bis jetzt dauert die Auszählung in den USA an. Noch hat keiner der beiden Bewerber, weder der Demokrat Joe Biden noch der Amtsinhaber Donald Trump die 270 Wahlmänner zusammen, die für die Wahl zum US-Präsidenten notwendig sind. 

 

 Kommentar Tageszeitung nd/Der Tag

Warum wählen so viele diesen Trump? Die Frage ist oft zu hören von Menschen, die die USA moralisch seit Präsident Barack Obama schon viel weiter gesehen hatten. Doch Obama war die Ausnahme, nicht Donald Trump. Das ist seit dieser US-Wahl klar. 

Als die Amerikaner 2008 den ersten Schwarzen zum Präsidenten machten, war das für viele der Beweis, dass die US-Bürger, darunter auch viele Weiße, liberaler geworden wären, weniger rassistisch, dafür weltoffener. Trumps Sieg 2016 wurde dann damit erklärt, dass Hillary Clinton zu unbeliebt gewesen sei. Doch unbeliebt war bei einer Mehrheit nun mal auch ihre Politik. 

Die weiße Mittelschicht steigt seit Jahrzehnten sozial ab. 2008 hatte sie das in der Finanzkrise den regierenden Republikanern angehängt und daher ausnahmsweise mal den Demokraten Obama gewählt. 2012 gewann der erneut, weil Kontrahent Mitt Romney als reicher Snob herüberkam und damit noch weiter von den Nöten des Normalbürgers entfernt war. 

Doch auch Obama konnte in acht Jahren der Mittelschicht kaum helfen. Seine Gesundheitsversicherung Obamacare half eher Ärmeren und Minderheiten. Die kurzfristige Rettung der Autoindustrie hielt weder Globalisierung noch Automatisierung auf. Also wandten sich viele Weiße wieder von den Demokraten ab. Bei sozio-kulturellen Themen wie Abtreibung, Waffenrecht und Gleichberechtigung von Minderheiten waren sie ohnehin immer anderer Meinung gewesen. Trump nutzt das seit Jahren aus und trieb zudem die Spaltung des Landes voran. 

Am Dienstag wurde David Andahl ins Parlament North Dakotas gewählt. Dazu muss man wissen, dass Andahl vor einem Monat an Covid-19 gestorben war. Doch seinen Wählern war offenbar wichtig, dass er Republikaner war. Den Demokraten trauen sie mittlerweile noch weniger als den Toten.

David McAllister

 

(CDU EU-Parlament): Biden ist verlässlicher

 

Der EU-Außenpolitiker David McAllister setzt bei den Auszählungen der US-Präsidentschaftswahl auf einen Sieg des demokratischen Herausforderers von US-Präsident Donald Trump. "Joe Biden steht für Verlässlichkeit, Vertrauen und Berechenbarkeit. Er will mit seinen Verbündeten reden und nicht über sie", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Mit einem Präsidenten Biden "würde sich die Zusammenarbeit mit der EU und in der NATO sicherlich verbessern". 

 

Der CDU-Politiker und ehemalige niedersächsische Ministerpräsident wies darauf hin, dass es "eine Reihe von Überschneidungen" zwischen Bidens Wahlprogramm und europäischen Interessen gebe. "Biden steht für multilaterale Zusammenarbeit. Er will internationale Organisationen reformieren und nicht zerstören wie der bisherige Präsident. Er plant, dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beizutreten. Und auch im Nahen Osten würden wir wohl wieder zu einem gemeinsamen Politikansatz kommen. Mit alldem würde es sicher einen neuen Impuls für die transatlantischen Beziehungen geben", sagte McAllister. 

 

Gleichzeitig räumte McAllister ein, dass es in der Handelspolitik mit den USA auch unter Biden weiter Meinungsunterschiede geben werde. "Auch die amerikanische Forderung, dass wir Europäer mehr für unsere eigene Sicherheit und Verteidigung tun und dafür auch mehr zahlen müssen, bleibt bestehen." 

 

McAllister hofft auf eine Wiederbelebung der Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA. "Es wäre zu begrüßen, wenn es einen neuen Anlauf für ein Handelsabkommen mit den USA geben kann. Doch selbst wenn es dazu käme, würde das bei Weitem nicht den Umfang haben wie das ursprünglich geplante TTIP-Abkommen." McAllister betonte: "Es wäre in jedem Fall gut, wenn die dauerhaften Handelsstreitigkeiten, die die ganze Amtszeit von Trump geprägt haben, aufhörten. Zölle auf Grundlage zweifelhafter sicherheitspolitischer Argumente einzusetzen hat maßgeblich zu dem Stresstest beigetragen, dem sich die transatlantische Partnerschaft seit 2017 ausgesetzt sah."

 

Der Schriftsteller Bernhard Schlink ("Der Vorleser") glaubt, dass Donald Trump bei den Wahlen in den USA erneut so viel Zuspruch bekommen hat, weil ein Teil der Bürger genau dessen Politikstil wolle.

 

"Trump wurde auch beim zweiten Mal für das gewählt, was er ist", sagte Schlink im Interview mit der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Die Lage vieler Trump-Anhänger habe sich nicht verändert, und sie setzten weiter Hoffnungen in ihn. Hinzu kämen viele, die sich auch mit Trump als Person identifizierten. "So wie er würden sie selbst gerne auf den Tisch hauen", so Schlink. Trumps Aussichten, am Ende vor dem Supreme Court die Wahl für sich zu entscheiden, hält er für gering. "Ihm den Wahlsieg dadurch zu verschaffen, dass abgegebene Stimmen nicht gezählt werden - das wäre ein Bruch mit demokratischen Regeln, den ich dem Supreme Court nicht zutraue", sagt Schlink. Die Richter am Obersten Gerichtshof ließen sich sicher nicht zu "Lakaien Trumps" machen. Das sei eine Frage der Selbstachtung.

 

Norbert Röttgen (CDU): Gewalttätige Auseinandersetzungen drohen

 

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), hat vor dem Hintergrund eines als extrem eng erwarteten Ausganges der Präsidentenwahl in den USA Unruhen nicht ausgeschlossen und vor einer juristischen Schlammschlacht gewarnt.

  

Röttgen sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" und dem Bonner "General-Anzeiger": "Ich fürchte, dass den USA jetzt eine Auseinandersetzung in mehreren Akten droht." Beiden Seiten werde es nun darum gehen, die Meinungshoheit über das Wahlergebnis zu erringen. "Trump hat den Sieg ja de facto schon für sich reklamiert, während noch ausgezählt wird. Das kann zu Wochen des Streits führen und hat ein hohes Konfliktpotential in sich." 

 

Gewaltenteilung in den USA funktioniert

 

Allerdings hätten auch die vergangenen vier Jahre unter Trump gezeigt, dass die Gewaltenteilung in den USA funktioniere. "Insofern glaube ich, dass im Zweifel auf die Gerichte und in dieser Frage auch auf einen mehrheitlich konservativen Supreme Court Verlass ist. Aber die Zeit der Unsicherheit ist gefährlich." 

Röttgen sagte zu Trumps Aussage eines Wahlbetrugs und einem möglichen Aufstand seiner Anhänger: "Es ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der Anhängerschaft Trumps den Vorwurf des Wahlbetrugs ernst nimmt und glaubt, die amerikanische Demokratie notfalls auch mit Waffen verteidigen zu müssen. Insofern kann es bei einem knappen Wahlausgang, und danach sieht es ja aus, durchaus zu Gewalt kommen."

 

Wirtschaftsexperte: Fortsetzung des Handelsstreits nach der Wahl

Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, erwartet unabhängig vom Ausgang der US-Wahl eine Fortsetzung des Handelsstreits.

"Beide Kandidaten wollen US-Interessen international durchsetzen. Bei einem Wahlsieg Bidens würden die bestehenden Handelskonflikte daher nicht beigelegt werden", sagte Schmidt der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Eine Rückkehr zur unipolaren Welt werde es nicht geben. 

Konjunkturprogramm gegen Arbeitslosigkeit

Zugleich erwartet Schmidt, der Präsident des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung ist, ein Konjunkturprogramm: "Unabhängig vom Ausgang der Wahl wird es sehr wahrscheinlich ein Konjunkturprogramm geben, vor allem, um die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit zu senken." Davon würden kurzfristig auch deutsche Firmen profitieren. Die Pipeline Nordstream 2 werde aber in jedem Fall blockiert: "Wer auch immer gewinnt, wird die amerikanischen Interessen vertreten und die Fertigstellung des Ausbaus von Nordstream verhindern wollen, um stattdessen vermehrt amerikanisches Flüssiggas in Europa verkaufen zu können", sagte Schmidt.

Saskia Esken (SPD): Jede Stimme zählt

SPD-Chefin Saskia Esken hat die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump zum Umgang mit Briefwahlstimmen bei der Präsidentschaftswahl scharf kritisiert und zur Verteidigung demokratischer Errungenschaften aufgerufen.

"In einer Demokratie zählt jede Stimme und Wahlen werden von den Wählerinnen und Wählern entschieden", sagte Esken der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Ein Kandidat, auch wenn er der amtierende Präsident ist, der dazu aufruft, Briefwahlstimmen nicht weiter auszuzählen, handelt antidemokratisch", sagte Esken. "Mehr denn je gilt, dass wir unsere demokratischen Errungenschaften gegen populistische und nationalistische Hetze verteidigen müssen", so die SPD-Vorsitzende. pm, ots

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