Eine Begründung hierfür habe das Gericht bisher nicht genannt. Etliche Stimmen, die für die Freie Wähler abgegeben wurden, blieben unauffindbar oder seien anderen Parteien zugeordnet worden, so Diego Semmler von den Freien Wählern.
Noch vor der Verkündung des amtlichen Endergebnisses habe die Partei das vorläufige Wahlergebnis mit statistischen Methoden
analysiert. Hierbei wurde festgestellt, dass einige Ergebnisse der Freie Wähler mit anderen Parteien vertauscht wurden oder unplausibel waren. Die festgestellten Auffälligkeiten wurden dem Landeswahlleiter sowie den betroffenen Kreiswahlleitern mitgeteilt.
14 Wahllokale wurden neu ausgezählt
Durch Rückmeldungen von verschiedenen Kreiswahlleitern sei bekannt gewesen, dass durch die Hinweise 14 Wahllokale neu ausgezählt wurden. In 13 Wahllokalen davon bewahrheiteten sich die Abweichungen. Lediglich im Wahllokal „Ehemaliger Schiefer Balken“ in Gießen bestätigte sich der Verdacht nicht. Dies beweist einer Trefferquote der Methodik von 93 Prozent, so Semmler.
Abgleich mit Wahlniederschriften ist nicht ausreichend
Statt der vorher 55 gezählten Stimmen erhielten die Freien Wähler in diesen Wahllokalen nach der Neuauszählung 245 Stimmen. Weiterhin sei feststellt geworden, dass ein Abgleich mit den Wahlniederschriften nicht ausreicht, da die Fehler zum Teil bereits im Protokoll enthalten seien. Eine Neuauszählung in konkret benannten Wahllokalen sei also "kein unbilliges Verlangen", so die Freien Wähler. Vielmehr wäre es Aufgabe des Landeswahlleiters gewesen, solche Auffälligkeiten zu suchen und korrigieren zu lassen.
Keine Korrektur vorgenommen
In 23 Wahllokalen habe weder der Landeswahlleiter noch der zuständige
Kreiswahlleiter bis zur Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses
eine Korrektur vorgenommen. Dagegen reichte Semmler von den Freien Wählern Klage ein und verlangte die Neuauszählung dieser Wahllokale. "Das
Wahlprüfungsgericht konnte bereits ohne Neuauszählung in zehn Fällen die
Abweichungen bestätigen oder hielt die Vertauschung von Stimmen
ebenfalls für plausibel", sagte Semmler.
Keine weitere Prüfung
Einen Anlass zur weiteren Prüfung habe das Gericht dennoch nicht gesehen, da der Fehler zu klein für eine Mandatsveränderung und eine Überprüfung unverhältnismäßig und daher nicht erforderlich sei. Für Semmler war dies "keine Überraschung", bestehe das Wahlprüfungsgericht zur Mehrheit aus Landtagsabgeordneten der politischen Mitbewerber. Semmler legte in zweiter Instanz Wahlprüfungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof ein, denn das Wahlprüfungsgericht hatte, wie der Landeswahlleiter später hätte einräumen müssen, die Anzahl der Stimmen für eine Mandatsverschiebung zu hoch berechnet.
Wahlprüfungen und Nachzählungen sind zulässig
Außerdem sei laut Gesetz eine Mandatsveränderung nicht zwingend für eine Überprüfung erforderlich und das Bundesverfassungsgericht habe in der Vergangenheit immer wieder klar gestellt, dass Wahlprüfungen und Nachzählungen zulässig seien. "Ob sich daraus eine Mandatsveränderung ergibt, kann erst nach Abschluss aller Überprüfungen festgestellt werden. Das Wahlprüfungsgericht hat jedoch genau dies im Vorhinein verweigert und ist seinem Prüfungsauftrag nicht nachgekommen", so Semmler weiter.
Staatsgerichtshof wies Klage ab
Der Staatsgerichtshof folgte der Argumentation von Semmler nicht und wies die Klage in letzter Instanz ab. Gründe dafür hätte es nicht angegeben.Problematisch sieht Semmler, dass hiermit bewiesen werde, dass es für den einfachen Bürger keine Möglichkeit gibt das Wahlergebnis, selbst bei offensichtlichen und in diesem Fall sogar mathematisch bewiesenen Unregelmäßigkeiten, überprüfen zu lassen. Diese Zustände hätte er in weniger demokratischen Staaten wie Belarus oder der ehemaligen DDR vermutet, aber nicht in Hessen.
Sachgerechte Prüfung des Wahlergebnisses
"Das Parlament und all dessen Gesetze beziehen ihre Legitimation aus dem Wahlergebnis. Hält dieses Ergebnis einer Prüfung nicht stand, kann das Parlament seine Legitimation auch nicht aus diesem Ergebnis beziehen", sagt Semmler. Eine sachgerechte Prüfung des Wahlergebnisses hätte daher die Legitimation des Parlaments und das Vertrauen der Bevölkerung in die Wahl und die Landesinstitutionen nicht geschwächt, sondern gestärkt.
Aufarbeitung von Fehlern würde helfen
Eine Aufarbeitung von Fehlern würde helfen, diese in Zukunft zu verhindern. Diese Chance sei versäumt worden. Einem hessischen Donald Trump würde es mit solchen Unregelmäßigkeiten leicht fallen Misstrauen gegen das Wahlergebnis zu säen. Erfundene Behauptungen bräuchte er dafür nicht. Um dies zu verhindern, fordern Semmler und die Freien Wähler nun eine politische Aufarbeitung. Im Wahlprüfungsgesetz müssten juristische Schlupflöcher geschlossen werden, um die Landesbehörden zukünftig zum Handeln zu zwingen, wenn sie schon nicht fähig oder willens sind, das Ergebnis selbst zu überprüfen. "In einer Demokratie sollte jeder Wähler das Recht haben, dass seine Stimme mit der größten Sorgfalt zu der Partei gezählt wird, die er gewählt hat", so Semmler abschließend. mei, pm