So werden die Tiere mehrfach getreten, geworfen und zum Teil mit Harken geschlagen. "Dies ist Tierquälerei und in dieser Form nicht erlaubt" so Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tierschutzbüros.
Die Bilder zeigten auch, dass es im Betäubungsbereich keine Fixierungs-möglichkeit gibt und so werde die Elektrozange im "Laufschritt" angesetzt. Dies führe immer wieder zu einer unsachgemäßen Anwendung mit der Folge, dass die Schweine nicht vollständig betäubt seien. Insgesamt seien 410 Tiere an zwei Tagen im August 2020 dokumentiert worden. Die detaillierte Auswertung zeige, das bei mindestens 67 Tieren die gesetzliche Vorgabe von 20 Sekunden zwischen Betäubung und Entblutung überschritten und somit nicht eingehalten wurde.
Tiere weder betäubt noch tot
Im Entblutungsbereich, wo der Kehlschnitt erfolgt, seien 100 Tiere dokumentiert worden, die eine deutliche, zum größten Teil mehrfache (bis zu 12x) Schnappatmung beziehungsweise Maulatmung aufwiesen. Einige der Tiere zeigten zudem eine deutliche Atembewegung an der Brust und Bauchwand. Mindestens 63 Tiere zeigten sehr heftige Bewegungen mit allen Extremitäten. "Die Aufnahmen zeigen immer wieder Tiere, die sich sehr heftig bewegen, nach Luft schnappen und den Kopf bewusst bewegen. Diese Tiere sind weder betäubt noch tot, sondern sie erleiden Höllenqualen" so Peifer.
Anzeichen von Fehlbetäubung
Im Entblutungsbereich seien viele der Tiere eine Doppelung von Anzeichen einer Fehlbetäubung auf, hatten also zum Beispiel Schnappatmung und klare Bewegungen mit meist allen Extremitäten. Bei einem Teil der Tiere war eine Auswertung nicht möglich, da die Kamerasicht verdeckt war. "Wir gehen insgesamt von einer Fehlbetäubung von ca. 40 Prozent aus, das ist mit das schlimmste, was man einem Tier antun kann" so Tierrechtler Peifer. Diese hohe Anzahl an Fehlbetäubungen sei hauptsächlich auf den unsachgemäßen Einsatz der Elektrozange und die Nichteinhaltung der zeitlichen Vorgabe zwischen Betäubung und Entblutung zurückzuführen. "Auf dem Videomaterial ist weder zu sehen, dass eine Nachkontrolle der Betäubung erfolgt, noch ein staatlicher Veterinär anwesend ist" kritisiert Peifer.
Kritik an den baulichen Mängeln
Das Deutsche Tierschutzbüro kritisiert zudem die baulichen Mängel in dem veralteten Schlachthof. So ist an vielen Stellen der Abfluss verstopft, immer wieder drücke Blut nach oben. Auch könnten die wartenden Tiere im Betäubungsbereich die bereits gestochenen Tiere im Entblutungsbereich sehen. "Das führt zu einer massiven Stresssituation für die Schweine" so Peifer. Die Person, die den Entblutungsvorgang einleite, wirkte zudem sehr gestresst und war offenbar noch weiteren Aufgaben zugeteilt. Aus diesem Grund kam es immer wieder zu Verzögerungen beim Stechen der Schweine. Zudem nutze die Person offenbar immer das gleiche Messer, eine Reinigung erfolgte nicht. Auch wurden ganz offensichtlich kranke beziehungsweise verletzte Tiere mit deutlichen Abszessen beziehungsweise Nabelbrüchen geschlachtet. "In dem Färber-Schlachthof in Neuruppin herrschen katastrophale Zustände" sagt Peifer.
Schlachthof gilt als Vorzeigebetrieb
Besonders pikant sei, der Schlachthof, der bisher als Vorzeigebetrieb galt, nimmt an der Initiative Tierwohl teil und schlachtet primär Bio-Schweine. Der Hauptabnehmer ist offensichtlich die Bio-Company. Die Bioladen-Kette betreibt 60 Filialen in Berlin, Brandenburg, Dresden, Hamburg und Potsdam. Nach Recherchen des Deutschen Tierschutzbüros lässt auch die Biomanufaktur Havelland im Färber-Schlachthof in Neuruppin schlachten. Nach eigenen Angaben beliefert die Biomanufaktur, die Fußballmannschaft Hertha BSC, den Berliner "Kult" Imbiss "Curry 36" und verschiedene Restaurants wie "Was schmeckt" (Treppin), "Alter Krug" (Zossen), und "Bötzow Privat" (Berlin). Laut Website der Biomanufaktur Havelland werden auch die Firmen GREENs UNLIMITED (Berlin) und BlauArt Catering (Potsdam) mit Fleisch beliefert, welche für Kitas und Schulen Verpflegung bereitstellen.
Als Saubermann präsentiert
Färber hat sich in der Vergangenheit immer wieder als Saubermann präsentiert und sich bei früheren Skandalen zu anderen Schlachthöfen damit gerühmt, dass so etwas Färber-Schlachthöfen nicht passieren würde. Zuletzt hatte man sich 2018 sogar von einem Rinderschlachthof in der Region Neuruppin distanziert, dabei herrschten in dem Färber-Schlachthof genau die gleichen, schlimmen und gesetzeswidrigen Zustände.
Staatsanwaltschaft Videomaterial zur Verfügung gestellt
Nachdem dem Deutschen Tierschutzbüro das Bildmaterial zugespielt worden ist, wurde sofort das zuständige Veterinäramt in Neuruppin per E-Mail informiert (Mitte Oktober). Nach detaillierter Auswertung und Sichtung des Videomaterials, wurde dem Veterinäramt und der zuständigen Staatsanwaltschaft im November die Ausarbeitung sowie das gesamte Bildmaterial zur Verfügung gestellt. pm, ots