Die nordrhein-westfälische Landesregierung sei auf Spitzenebene mit einem umstrittenen Masken-Geschäft mit der Schweizer Firma Emix im März 2020 befasst.
Wie das NRW-Gesundheitsministerium auf Anfrage der Magazine von "Capital" und "Stern" (Online-Ausgaben) bestätigte, sei die Entscheidung über den Vertragsabschluss über eine Million Masken von Gesundheitsstaatssekretär Edmund Heller getroffen geworden. Dieser habe auch Minister Karl-Josef Laumann (CDU) "über den Vorgang informiert". Für die Masken von Emix habe die Landesregierung zu Beginn der Corona-Krise einen außergewöhnlich hohen Preis von 9,90 Euro pro Stück bezahlt - fast doppelt so viel, wie der Bund an Emix überwiesen habe. Vermittelt sei das Geschäft von der Tochter des früheren CSU-Generalsekretär Gerold Tandler worden. Anstelle der ursprünglich bestellten FFP2-Masken des Herstellers 3M habe Emix am Ende nur 527.000 Masken von mehreren chinesischen Herstellern geliefert.
Kam Vertrag durch gefälschte Dokumente zustande?
Recherchen der beiden Magazine auf Basis interner Akten des Ministeriums hätten zudem nahe gelegt, dass der Maskendeal mit Emix in Höhe von ursprünglich rund zehn Millionen Euro auf Basis gefälschter Dokumente zustande gekommen sein könnte. Laumanns Haus habe vor der verbindlichen Bestellung Zertifikate angefordert, die die Qualität der Masken belegen sollten. Zu diesem Zeitpunkt sei es nicht mehr um FFP2-Masken von 3M, die laut Emix nicht verfügbar waren, sondern um Fabrikate der kaum bekannten ägyptischen Firma Chemi Pharma Medical gegangen. Unter den von Emix übermittelten Dokumenten sei auch ein "Zertifikat" mit Firmenstempel von Chemi Pharma Medical gewesen, das eine frühere Lieferung von FFP2-Masken bestätigen sollte. Allerdings habe die ägyptische Firma im Frühjahr gegenüber Schweizer Medien betont, sie habe niemals FFP2-Masken hergestellt.
Werthaltigkeit von Zertifikaten. sehr überschaubar
Auf Anfrage der Magazine habe das NRW-Gesundheitsministerium nicht ausschließen wollen, dass die von Emix übersandten Dokumente gefälscht gewesen seien. Die "Werthaltigkeit" von Zertifikaten sei zu Beginn der Pandemie generell sehr überschaubar gewesen, erklärte es. Die Echtheit habe sich "nur sehr begrenzt" mit einer "kursorischen Prüfung per Internet" überprüfen lassen, "Fälschungen konnten nicht ausgeschlossen werden", räumte das Ministerium ein. Daher seien die Emix-Masken nach der Lieferung "stichprobenartig" durch ein geeignetes Institut überprüft worden. Dabei habe sich "kein Grund zur Beanstandung" ergeben, betonte das Ministerium.
Hat sich um einwandfreie Masken gehandelt
Nachfragen zu der Echtheit der Zertifikate, die ausweislich der Ministeriumsakten auch Bestandteil des Vertrags gewesen sein sollen, habe Chemi Pharma Medical unbeantwortet gelassen. Ein Emix-Sprecher habe mitgeteilt, man habe "keine Erklärung" für die "nicht nachvollziehbaren Aussagen" des Herstellers. Emix habe "selbstverständlich nie wissentlich unauthentische Dokumente vorgelegt oder falsch informiert und sämtliche Unterlagen der nötigen Plausibilitätsprüfung unterzogen.", betonte der Sprecher. Bei Chemi Pharma Medical handele es sich zudem um "einwandfreie Masken".
Rolle von Laumann lassen Fragen offen
"Das Gesundheitsministerium hat bedingungslos zugelassen, dass sich die Modalitäten für das Land NRW immer weiter verschlechterten. Nur beim Preis von 9,90 Euro pro Maske änderte sich überhaupt nichts", kritisierte der SPD-Abgeordnete Stefan Kämmerling. Auch die Rolle von Gesundheitsminister Laumann lasse Fragen offen: "Warum hat er ein so nachteiliges Geschäft für das Land NRW zugelassen?" Angesichts der Verletzungen der Vertragsbedingungen durch Emix sei es ihm ein Rätsel, warum die Landesregierung nicht versuche, das Geld der Steuerzahler mindestens teilweise zurückzuholen, sagte Kämmerling. Nach seinen Angaben hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf jüngst die Unterlagen zu dem Emix-Deal angefordert. Kämmerling hatte Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Betrugs, Untreue und Wucher zulasten des Landeshaushalts gestellt.
Spätere Einigung mit Emix
Dagegen habe das Gesundheitsministerium versichert, in der turbulenten Anfangsphase der Corona-Krise sei es "nicht ungewöhnlich" gewesen, dass Lieferanten andere Masken geliefert hätten als vorher angekündigt. Dank des Vertrags mit Emix habe sich das Land in der angespannten Lage mehr als eine halbe Million Masken zu einem damals marktüblichen Preis sichern können. Mit Emix habe sich die Landesregierung später geeinigt, die ursprüngliche Liefermenge zu reduzieren. Laumanns Ministerium habe nach eigenen Angaben keine Pläne, juristisch gegen Emix vorzugehen. pm, ots