Das sagt der Axel-Springer-Verlag zur Trennung von Julian Reichelt

Die Axel Springer SE hat BILD-Chefredakteur Julian Reichelt mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Das teilte das Unternehmen mit.

 

Diesen Informationen sei das Unternehmen nachgegangen. Dabei habe der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe.

 

Johannes Boie wird neuer Vorsitzender des BILD-Boards

 

Neuer Vorsitzender der dreiköpfigen Chefredaktion und Mitglied des BILD-Boards werde Johannes Boie, 37, derzeit Chefredakteur "Welt am Sonntag". Bevor er im Jahr 2017 zu Axel Springer kam, hatte Boie bei der „Süddeutschen Zeitung“ als Reporter und Redakteur gearbeitet und das Paid-Content-Angebot der Zeitung entwickelt und geleitet. Alexandra Würzbach bleibe Chefredakteurin "Bild am Sonntag" und verantwortlich für Personal- und Redaktionsmanagement. Claus Strunz ist als Chefredakteur für das Bewegtbildangebot verantwortlich.

 

"Hervorragend entwickelt und zukunftsfähig gemacht"

 

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, sagte: „Julian Reichelt hat BILD journalistisch hervorragend entwickelt und mit BILD LIVE die Marke zukunftsfähig gemacht. Wir hätten den mit der Redaktion und dem Verlag eingeschlagenen Weg der kulturellen Erneuerung bei BILD gemeinsam mit Julian Reichelt gerne fortgesetzt. Dies ist nun nicht mehr möglich. Mit Johannes Boie haben wir einen erstklassigen Nachfolger. Er hat unter Beweis gestellt, dass er journalistische Exzellenz mit modernem Führungsverhalten verbindet.“

 

Ergänzende Informationen zum Hintergrund der Entscheidung

 

Es habe im Rahmen des Compliance-Verfahrens gegen Julian Reichelt nie den Vorwurf sexueller Belästigung oder sexueller Übergriffe gegeben. Es hätte aber den Vorwurf einvernehmlicher Liebesbeziehungen zu BILD-Mitarbeiterinnen und Hinweise auf Machtmissbrauch in diesem Zusammenhang gegeben. Bewiesen und eingeräumt sei eine frühere Beziehung zu einer Mitarbeiterin von BILD gegeben. Umstritten sei geblieben, ob dieser Mitarbeiterin dadurch berufliche Vorteile gewährt wurden.

 

Gegen "abstrahierte Vorwürfe" verteidigt

 

Fast alle damaligen Hinweisgeber hätten auf Anonymität bestanden. Deshalb konnten die konkreten Vorwürfe und Protokolle, der durch die Kanzlei Freshfields durchgeführten Befragungen dem Beschuldigten gegenüber, nicht offengelegt werden. Julian Reichelt habe sich deshalb kaum gegen konkrete, sondern lediglich gegen abstrahierte Vorwürfe verteidigen können. Auch Axel Springer habe maßgebliche Befragungsprotokolle auf Bitten von Zeugen nicht gekannt. Und diese würden dem Unternehmen bis zum heutigen Tage nicht vorliegen. Medien seien diese Dokumente jedoch in Teilen oder vollständig von dritter Seite rechtswidrig zugespielt worden.

 

Diskussionen mit dem Betriebsrat

 

Eine klare Vorgabe, die den Umgang mit Verhältnissen unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen explizit regele, gebe es bei Axel Springer wie bei den meisten deutschen Unternehmen nicht. Eine Einführung einer solchen Regelung sei in der Vergangenheit aus rechtlichen Gründen verworfen worden. Der Vorstand habe nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 beschlossen, dass es künftig die Pflicht geben soll, persönliche Beziehungen am Arbeitsplatz, die einen Interessenkonflikt auslösen können, transparent offenzulegen. Eine Umsetzung ist mitbestimmungspflichtig, entsprechende Diskussionen hierzu mit dem Betriebsrat dauern an.

 

Keine unverzeihlichen Fehler gemacht

 

Auf Basis der Untersuchungsergebnisse der externen Anwälte hielt der Vorstand nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im März 2021 die Rückkehr von Julian Reichelt an seinen Arbeitsplatz in einer Doppelspitze in Kombination mit einem kulturellen Veränderungsprozess für angemessen. Der Vorstand und der Aufsichtsrat kamen zu dem Ergebnis: Julian Reichelt habe zwar Fehler gemacht, jedoch keine unverzeihlichen Fehler. Fehler, die eine unverzügliche Trennung gerechtfertigt hätten, konnten nicht bewiesen werden und wurden von Julian Reichelt bestritten. Statt einer Kündigung gab es eine zweite Chance, heißt es in der Mitteilung des Verlages weiter.

 

Neue Anhaltspunkte für Fehlverhalten

 

Im Kontext jüngster Medienrecherchen seien dem Unternehmen seit einigen Tagen neue Anhaltspunkte für aktuelles Fehlverhalten von Julian Reichelt zur Kenntnis gelangt. Der Vorstand habe erfahren, dass Julian Reichelt auch aktuell noch Privates und Berufliches nicht klar trennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe. Deshalb halte der Vorstand jetzt eine Beendigung der Tätigkeit für unvermeidbar.

 

Ziel: Julian Reichelt aus dem Amt zu entfernen

 

Gleichzeitig habe das Unternehmen rechtliche Schritte gegen Dritte eingeleitet, die versucht hätten, die Compliance-Untersuchung vom Frühjahr mit rechtswidrigen Mitteln zu beeinflussen und zu instrumentalisieren, offenbar mit dem Ziel, Julian Reichelt aus dem Amt zu entfernen und BILD sowie Axel Springer zu schädigen. Dabei gehe es insbesondere um die verbotene Verwendung und Nutzung vertraulicher Protokolle aus der Befragung von Zeugen sowie die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und privater Kommunikation. pm, mei, Quelle: Axel Springer SE