Was Bundeswehr-Wissenschaftler über Omikron herausgefunden haben

Wie alle Viren verändert sich auch SARS-CoV-2 mit der Zeit durch Mutationen in seinem Erbgut. Dabei setzen sich diejenigen Mutationen durch, die dem Virus einen Vorteil verschaffen. Seitdem sich SARS-CoV-2 ausbreitet, bilden sich daher auch immer wieder neue Virusvarianten. Dennoch entsteht dabei nicht innerhalb kurzer Zeit ein "Supervirus".

 

Viele für das Virus zunächst scheinbar nützliche Veränderungen haben auch negative Effekte auf andere Bereiche der Virusfunktion. So lässt sich erklären, warum von zahlreichen Varianten, die weltweit unter Beobachtung gestellt wurden, bisher nur zwei, nämlich Alpha und danach Delta zu einem globalen Problem geworden sind. Gerade im Frühstadium des Auftretens einer neuen Variante wird diese umfangreich im Labor untersucht. Bis Ergebnisse vorliegen, ist die engmaschige Überwachung ihrer Verbreitung und die Begrenzung einer Verschleppung in andere Gebiete besonders wichtig.

 

Die Variante Omikron

 

Die jetzt beschriebene Variante Omikron (B.1.1.529) wurde im November 2021 in Südafrika entdeckt und kurz darauf ebenfalls in Botswana und Hong Kong nachgewiesen. Weitere Meldungen über Infektion gibt es mittlerweile aus Israel, Australien und zahlreichen europäischen Ländern. Am 25. November wurde die Omikron-Variante erstmals auch in Deutschland bei zwei Reisenden festgestellt, die mit einem Flug aus Südafrika am Flughafen München angekommen waren. Beide Personen befinden sich derzeit in häuslicher Isolation.

 

Zusätzliche Mutationen

 

Die Omikron-Variante unterscheidet sich recht deutlich von den anderen bisher bedeutsamen Alpha-, Beta- und Delta-Varianten. Zwar besteht eine Schnittmenge an gemeinsamen Mutationen, Omikron weist jedoch auch eine Reihe zusätzlicher Mutationen auf. Aufmerksamkeit erregt vor allem die große Anzahl von Mutationen im Spike-Protein.

 

Schützende Antikörper binden nicht mehr

 

Viele dieser Mutationen befinden sich dabei ausgerechnet in der sogenannten "Rezeptorbindedomäne". Das ist der Bereich des Spike-Proteins, der für das Eindringen der Viruspartikel an menschliche Zellen eine entscheidende Rolle spielt. Veränderungen in diesem Bereich können auch dazu führen, dass schützende Antikörper nicht mehr binden und Viren ungehindert Zellen infizieren können.

 

Eventuell höhere Übertragbarkeit

 

Eine andere Gruppe von Mutationen in der Omikron-Variante betrifft die sogenannte Furin-Spaltstelle. die ebenfalls Teil des Spike-Proteins ist. Veränderungen an ihr können zu einer erhöhten Übertragbarkeit des Virus führen oder auch die Ausbreitung des Virus in verschiedene menschliche Organe erleichtern. Zwei weitere bei Omikron vorhandene Spike-Mutationen sind außerdem bekannt dafür, die Bindung des Virus an den menschlichen Zellrezeptor ACE2 stark zu erhöhen.

 

Umgehung des Immunsystems

 

Außerdem liegen bei der Omikron-Variante noch weitere Mutationen in anderen Bereichen des Virusbauplans vor: Für eine davon, die im sogenannten open reading frame (ORF) 1a liegt, gibt es Hinweise, dass sie dem Virus bei der Umgehung bestimmter Teile des Immunsystems helfen könnte. Zwei zusätzliche Mutationen im Nukleokapsid-Gen des Virus sind auch von anderen Varianten bekannt und führen zu einer höheren Virusproduktion bei infizierten Menschen. Dadurch verbessern sie die Übertragbarkeit des Virus von Mensch-zu-Mensch.

 

Neue und bekannte Mutationen

 

Eine weitere Mutation, nämlich der Wegfall eines kleinen Stücks im Bauplan des Spike-Proteins, wird als 69/70-Deletion bezeichnet. Diese Veränderung ist auch bereits bei früheren Virusvarianten, wie der Alpha- und der Eta-Variante aufgetreten. Der Vorteil dieser Deletion für das Virus ist bislang unklar. Man kann sich dieses Merkmal aber zu diagnostischen Zwecken zunutze machen: Falls keine Möglichkeiten zur Genomsequenzierung vorhanden sind, kann diese Deletion im Labor zur vorläufigen Erkennung des Virus dienen. Denn bei der derzeit in Deutschland zu 99 Prozent vorherrschenden Delta-Variante ist die 69/70-Deletion nicht enthalten. Da sie jedoch bei den anderen genannten Varianten vorkommt, muss man darauf achten, diese nicht leichtfertig mit der Omikron-Variante zu verwechseln.

 

Besorgniserregende Variante

 

Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften wurde die Omikron-Variante bereits kurz nach ihrer Entdeckung von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "besorgniserregend" eingestuft. Auch die EU-Gesundheitsbehörde (ECDC) bewertet die Gefahr einer EU-weiten Ausbreitung aktuell als "hoch bis sehr hoch".

 

Omikron-Variante bei Bundeswehrangehörigen nicht nachgewiesen

 

Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) überwacht seit Beginn der Coronavirus-Pandemie die Ausbreitung von Virusvarianten bei Bundeswehrangehörigen. Im Rahmen dieser SARS-CoV-2 Genomsurveillance des IMB wurde bisher weder die Omikron-Variante, noch eine mit ihr näher verwandte SARS-CoV-2 Variante in einem der Einsatzgebiete nachgewiesen.

 

Sichere Diagnostik

 

Die Genabschnitte des Virus, die für die PCR-Diagnostik verwendet werden, sind bei Omikron kaum oder gar nicht verändert. Diese neue Variante wird also genauso sicher mit den in der Bundeswehr und im Einsatz etablierten PCR-Tests erkannt werden. Die Nachweisbarkeit aller Varianten von SARS-CoV-2 durch Antigen-Schnelltests wurde bereits ausführlich durch das IMB untersucht.

 

Antigen-Schnelltests geringer empfindlich

 

Dabei hat sich gezeigt, dass die Empfindlichkeit der Antigen-Schnelltests, unabhängig von der Virusvariante, im Vergleich zum PCR-Test immer deutlich geringer ist. Die meisten Schnelltests identifizieren das Virus über sein Nukleokapsid-Protein. Die Omikron-Variante weist hier keine Mutationen auf, die eine Beeinträchtigung der Funktion von Antigen-Schnelltests erwarten lassen. Allerdings muss dies erst noch in Laborversuchen mit einem Omikron-Virusisolat bestätigt werden.

 

Weitere Daten sind notwendig

 

Über das sogenannte Immun-Escape-Potenzial der Omikron-Variante, also ihre Fähigkeit der Körperabwehr zu entkommen, liegen bisher noch keine ausreichend belastbaren Daten vor. Solche Untersuchungen werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Betrachtet man die vielen Mutationen bei der Omikron-Variante, dann ist es allerdings durchaus denkbar, dass diese Virusvariante dem Immunsystems zumindest teilweise besser ausweichen kann, als andere derzeit verbreitete Virusvarianten.

 

Impfstoffe bieten weiterhin Schutz

 

Aber selbst, wenn dies der Fall sein sollte, ist weiterhin davon auszugehen, dass die verfügbaren Impfstoffe immer noch ein hohes Maß an Schutz vor schweren Krankheitsverläufen und Tod bieten werden. Die derzeit in Deutschland verwendeten Coronavirus-Impfstoffe führen bei den Geimpften nicht nur zur Produktion vieler unterschiedlicher Antikörper. Sie lösen zusätzlich auch die Bildung spezielle Abwehrzellen gegen das Virus aus.

 

Schutz gegen neue Varianten

 

Diese breite Reaktion des Immunsystems bietet auch Schutz gegen neue Varianten von SARS-CoV-2. Die Impfung und insbesondere auch die Booster-Auffrischung sind deshalb nach wie vor unser stärkstes Werkzeug gegen die Pandemie. Nur durch konsequente Impfung können wir die Coronavirus-Übertragung verlangsamen, die Belastung des Gesundheitssystems verringern und damit zum Schutz der Gesellschaft beitragen.

pm, ots, Quelle: Informationen des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) zur neuen Omikron-Variante (B.1.1.529)

Oberstarzt Professor  Dr. Roman Wölfel; Oberstabsveterinär Dr. Katharina Müller;

Oberstabsveterinär Dr. Rosina Ehmann

Bildrechte: Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Fotograf: © pixabay/Gerd Altmann

 

English version

 

Like all viruses, SARS-CoV-2 also changes over time through mutations in its genetic material. Those mutations that give the virus an advantage prevail. Since SARS-CoV-2 has been spreading, new virus variants have been formed again and again. Nevertheless, a "super virus" does not emerge within a short time.

 

Many changes that initially appear to be useful for the virus also have negative effects on other areas of the virus' function. This explains why, of the numerous variants that have been placed under observation worldwide, only two, namely Alpha and then Delta, have so far become a global problem. Especially in the early stages of the emergence of a new variant, it is extensively studied in the laboratory. Until results are available, close monitoring of its spread and limiting its spread to other areas is particularly important.

 

The Omikron variant

 

The variant Omikron (B.1.1.529) now described was discovered in South Africa in November 2021 and was also detected in Botswana and Hong Kong shortly afterwards. There are now further reports of infection from Israel, Australia and numerous European countries. On 25 November, the Omikron variant was also detected for the first time in Germany in two travellers who had arrived at Munich airport on a flight from South Africa. Both persons are currently in domestic isolation.

 

Additional mutations

 

The Omikron variant is quite distinct from the other alpha, beta and delta variants that have been significant so far. While there is an intersection of common mutations, Omikron also has a number of additional mutations. Of particular interest is the large number of mutations in the spike protein.

 

Protective antibodies no longer bind

 

Many of these mutations are located in the so-called "receptor domain". This is the area of the spike protein that plays a decisive role in the penetration of the virus particles into human cells. Changes in this area can also lead to protective antibodies no longer binding and viruses being able to infect cells unhindered.

 

Possibly higher transmissibility

 

Another group of mutations in the omicron variant affects the so-called furin cleavage site, which is also part of the spike protein. Changes to it may lead to increased transmissibility of the virus or also facilitate the spread of the virus to various human organs. Two other spike mutations present in Omikron are also known to greatly increase the binding of the virus to the human cell receptor ACE2.

 

Bypassing the immune system

 

In addition, the Omikron variant has other mutations in other parts of the viral blueprint: For one of them, located in the so-called open reading frame (ORF) 1a, there are indications that it could help the virus bypass certain parts of the immune system. Two additional mutations in the nucleocapsid gene of the virus are also known from other variants and lead to higher virus production in infected people. Thus, they improve the transmissibility of the virus from human-to-human.

 

New and known mutations

 

Another mutation, namely the omission of a small piece in the blueprint of the spike protein, is called the 69/70 deletion. This change has already occurred in earlier virus variants, such as the alpha and eta variants. The advantage of this deletion for the virus is still unclear. However, this feature can be used for diagnostic purposes: If there are no possibilities for genome sequencing, this deletion can be used in the laboratory for preliminary detection of the virus. This is because the 69/70 deletion is not contained in the delta variant, which is currently 99 per cent prevalent in Germany. However, since it does occur in the other variants mentioned, care must be taken not to confuse them lightly with the Omikron variant.

 

Worrisome variant

 

Because of its special properties, the omicron variant was classified as "of concern" by the World Health Organisation (WHO) shortly after its discovery. The EU health authority (ECDC) also currently assesses the danger of an EU-wide spread as "high to very high".

 

Omicron variant not detected in members of the armed forces

 

Since the beginning of the coronavirus pandemic, the Institute for Microbiology of the German Armed Forces (IMB) has been monitoring the spread of virus variants among members of the armed forces. Within the framework of this SARS-CoV-2 genome surveillance by the IMB, neither the Omikron variant nor a SARS-CoV-2 variant more closely related to it has so far been detected in any of the areas of deployment.

 

Reliable diagnostics

 

The gene segments of the virus used for PCR diagnostics are hardly or not at all changed in Omikron. This new variant will therefore be detected just as reliably with the PCR tests established in the armed forces and in the field. The detectability of all variants of SARS-CoV-2 by rapid antigen tests has already been studied in detail by the IMB.

 

Rapid antigen tests less sensitive

 

It has been shown that the sensitivity of the rapid antigen tests is always significantly lower than that of the PCR test, regardless of the virus variant. Most rapid tests identify the virus via its nucleocapsid protein. The Omikron variant does not have any mutations here that would lead us to expect an impairment of the function of rapid antigen tests. However, this has yet to be confirmed in laboratory experiments with an omicron virus isolate.

 

More data are needed

 

So far, no sufficiently reliable data are available on the so-called immune escape potential of the omicron variant, i.e. its ability to escape the body's defences. Such studies will take some time. However, considering the many mutations in the Omikron variant, it is quite conceivable that this virus variant is at least partially better able to evade the immune system than other currently widespread virus variants.

 

Vaccines still offer protection

 

But even if this should be the case, it can still be assumed that the available vaccines will still offer a high degree of protection against severe disease progression and death. The coronavirus vaccines currently used in Germany not only lead to the production of many different antibodies in those vaccinated. They also trigger the formation of special defence cells against the virus.

 

Protection against new variants

 

This broad immune system response also provides protection against new variants of SARS-CoV-2. Vaccination and especially booster boosters therefore remain our strongest tools against the pandemic. Only through consistent vaccination can we slow down coronavirus transmission, reduce the burden on the health system and thus help protect society.

pm, ots, mei, Source: Information from the Institute for Microbiology of the German Armed Forces (IMB) on the new omicron variant (B.1.1.529)

 

Colonel Professor Dr Roman Wölfel; Senior Staff Veterinarian Dr Katharina Müller;

Senior Staff Veterinarian Dr Rosina Ehmann

 

Image rights: Press and Information Centre of the Bundeswehr Medical Service Photographer: © pixabay/Gerd Altmann