Altbundeskanzler Schröder: Kritik am Koalitionsvertrag

Altbundeskanzler Gerhard Schröder hält den Sieg von Olaf Scholz bei der Bundestagswahl für größer als seinen eigenen 1998.

 

In einem Interview mit dem Magazin "stern" sagte Schröder auf die Frage, wer es schwerer hatte: "Eindeutig Olaf Scholz. Die SPD kam ja aus einem tiefen Tal. Aber sie hat ihrem Kanzlerkandidaten die notwendige Beinfreiheit gewährt. Und ein anderer hätte es nicht geschafft - wie 1998." Respekt habe er vor der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken, "die, wenn ich das so sagen darf, über sich selbst hinausgewachsen ist." Schröder übte im stern-Interview Kritik an einigen Stellen des Koalitionsvertrags, etwa, was das Verhältnis zu China angehe. "Das zu reduzieren auf die Frage der Uiguren oder von Hongkong, halte ich für hochproblematisch. Wie wollen Sie im Ernst China dazu bewegen, gemeinsame Klima-Weltpolitik zu machen, wenn Sie gleichzeitig das Land wegen innenpolitischer Vorgänge ausgrenzen wollen?"

 

Wirtschaftsministerium und Klimapolitik passen nicht

 

Schröder sagte, er halte es zu dem für "schwierig", die Klimapolitik im Wirtschaftsministerium fest zu machen. Man werde dort auch noch ganz normale Wirtschaftspolitik machen müssen. "Es gibt ja ökonomische Realitäten. Es geht auch um Ressourcen, um Märkte und um Arbeitsplätze." Auch bei der Atomkraft werde sich die Ampel positionieren müssen, ob das Nein nur national gelte oder EU-weit.

 

Auf Fähigkeit der Kommunikation kommt es an

 

Schröder glaubt, dass es für eine erfolgreiche Ampel-Koalition vor allem "auf die Fähigkeit der Kommunikation" ankomme. 1998 seien noch andere Zeiten gewesen. "Damals habe ich in einem stern-Interview gesagt, dass klar sein muss, wer in einer Regierung Koch ist und wer Kellner. Das habe ich so formuliert, weil die Ängste vor Rot-Grün auf Bundesebene riesengroß waren." Heute sei das nicht mehr der Fall. "Die Grünen sind längst eine gemäßigt konservative Partei, vor der niemand mehr Angst hat."

 

Es gibt einen natürlichen Verlust an Dynamik

 

Schröder, der insgesamt sieben Jahren regierte, gab zu, dass er eine 16-jährige Kanzlerschaft wie die von Angela Merkel persönlich nicht gewollt hätte. "Ich glaube, eine Dekade wäre okay. Es treten so oder so Abnutzungserscheinungen auf. Es gibt einen ganz natürlichen Verlust an Dynamik. Man kennt ja alles schon." Er selbst sei nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt mit seinem Bedeutungsverlust gut zurechtgekommen, weil er in seinen alten Beruf als Anwalt zurückgekehrt sei. "Hätte ich nichts zu tun gehabt, hätte sich ein Stück Leere eingestellt, das wollte ich nicht." Merkel werde es in dieser Hinsicht schwerer haben. "Die Dinge in den Naturwissenschaften entwickeln sich rasend schnell, und ich wage Zweifel anzumelden, ob Frau Merkel heute Physik an der Uni lehren könnte," sagte Schröder. pm, ots