Karin Prien über Deutschland: "Wir lebten im Land der Täter"

Karin Prien, 56, Präsidentin der Kulturministerkonferenz und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, hat lange nicht über ihre jüdische Herkunft geredet.

 

Als ihre Eltern mit ihr Ende der 1960er Jahre aus Amsterdam nach Deutschland zogen, war "das Bekennen zum Jüdischsein nichts Selbstverständliches, und man tat es auch nicht ohne Beklommenheit", sagt die stellvertretende Vorsitzende der CDU dem ZEITmagazin. "Meine Mutter hatte schlicht Angst. Für sie lebten wir im Land der Täter. Und deshalb war es klar, dass man darüber nicht redete."

 

"Das war meine innere Welt"

 

Als Jugendliche habe sie Anne Franks Tagebuch und Judith Kerrs Als Hitler das rosa Kaninchen stahl gelesen, "das war meine innere Welt. Aber draußen vor der Tür fand das nicht statt." Später hätten zwar Freunde von ihrer Familiengeschichte gewusst, aber sie sei nicht damit hausieren gegangen: "Es gab eben dieses Verbot von zu Hause, also nicht in dem Sinne, du wirst bestraft, sondern im Sinne von: Mach das nicht, das ist gefährlich, denn hier sind immer noch Nazis." 2016 thematisierte Prien ihre jüdische Herkunft erstmals in einem Interview.

 

Aus Twitter zurückgezogen

 

Kürzlich wurde sie im Zuge eines umstrittenen Tweets über Corona bei Kindern von Kritikern so stark und zum Teil mit Hinweis auf ihre Familiengeschichte angegriffen, dass sie sich von Twitter zurückzog. Dies habe aber nichts mit ihrem Jüdischsein zu tun, "sondern mit einer in Teilen völlig entgleisten Debattenkultur", so Prien. "Man wird persönlich angegriffen, und zwar so böswillig, dass es in die eigene Wahrnehmung von mir als Feindbild passt. Und da werden eben alle Register der Schäbigkeit gezogen. Aussehen, Abstammung, Familie - da ist ein jüdischer Familienhintergrund keine Besonderheit." pm, ots