Kürzlich erschien auf der Online-Seite des Magazins "Emma" ein Offener Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Botschaft: Nicht noch mehr schwere Waffen an die Ukraine liefern.
Zu den Erstunterzeichnenden des Briefes zählten unter anderem die Feministin Alice Schwarzer, die Schriftstellerin Juli Zeh, der Sänger Reinhard Mey, der Autor Alexander Kluge und der Schauspieler Lars Eidinger. Nach Veröffentlichung des Briefes entstanden sofort hitzige Diskussionen, vor allem im Netz, um das für und wider von schweren Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine - Einen medialen Shitstorm mussten Unterzeichner des Briefes "einstecken". https://www.emma.de/artikel/offener-brief-bundeskanzler-scholz-339463
- Zu den Erstunterzeichner des Offenen Briefes gehört auch der TV-Journalist Dieter Nuhr, der jetzt in einem Facebook-Post auf die öffentlichen Reaktionen nach Veröffentlichungen des Briefes kritisch eingeht.
- "Zur Diskussion um den offenen Brief bezüglich der Waffenlieferungen in die Ukraine möchte ich Folgendes hinzufügen", beginnt Nuhr seinen Post.
- Seiner Meinung nach, sei die Berichterstattung über den offenen Brief von Alice Schwarzer an den Bundeskanzler, wie so oft in dieser Zeit - unangemessen, irrational und teilweise leider auch verlogen. Sie schreit förmlich nach einer Klarstellung.
- Leider sei das im offenen Brief Geschriebene allzu häufig bis zur Unkenntlichkeit verdreht worden. Es sei heute in der öffentlichen Auseinandersetzung üblich, dass der Andersmeinende durch Etikettierung und Diffamierung abgewertet werde und dass Empörung Abwägung ersetze.
Beleidigungen statt Argumente
Es passiere leider immer öfter, so Nuhr, dass selbst in ehemals seriösen Medien Beleidigungen mit Argumenten verwechselt würden. Teilweise werde der Eindruck vermittelt, die "sogenannten Intellektuellen" (DLF), die diesen Brief unterschrieben haben, seien alles Geistesgestörte. Das sei bitter, aber leider ist so der Zustand unserer Öffentlichkeit, ich beklage das seit Jahren...
- "Um es klar zu sagen: Weder wurde im Brief gefordert, dass sich die Ukraine widerstandslos ergeben sollte, wie den Unterzeichnern, also auch mir vorgeworfen wurde, noch stand im Brief irgendetwas davon, dass die Unterzeichner die russische Kriegsschuld anzweifeln oder irgendwelche Sympathien für Putin hätten", schreibt der TV-Moderator weiter.
- Der Brief fordere allerdings, alles zu unterlassen, was eine Ausweitung des Konflikts auslösen könnte. Dies habe Nuhr unterschrieben.
Keine Eskalation des Krieges
Laut Umfragen, stehe etwa die Hälfte der Bevölkerung der Bundesrepublik hinter dem, was im offenen Brief gefordert werde. 50 Prozent der Bevölkerung sei offenbar mit den Unterzeichnern des Briefes der Meinung, es sei nicht Deutschlands Aufgabe, eine weitere Eskalation des Krieges voranzutreiben.
- In der einseitigen journalistischen Aufarbeitung komme diese Einstellung nur selten zum Ausdruck. Es sei kein Wunder, dass viele Menschen ihre Haltung im Journalismus unserer Tage nur noch unzureichend gespiegelt sehen.
- "Die Aufrüster halten sich heute für moralisch überlegen. Leute, die gestern noch auf einer naiven pazifistischen Grundhaltung bestanden, wollen nun aus sittlichen Gründen mit schwerstem Geschütz um sich werfen und blenden dabei völlig aus, dass eskalierendes Verhalten bis in einen Weltkrieg führen kann. Ich verstehe die Emotionen, die dahinterstecken. Aber ich plädiere dennoch für Vorsicht und Abwägung", schreibt Nuhr weiter.
- Wer gestern noch radikaler Pazifist gewesen sei, blende heute selbst atomare Gefahren einfach aus, weil er die Moral auf seiner Seite wisse, das sei gefährlich. Aus Friedensbewegten werden Kriegstaktiker. Ein interessanter Vorgang, sei das.
Krieg mit welchem Ziel
Wer Krieg führte müsse wissen, zu welchem Ziel. "Ein solches hat mir bisher niemand nennen können. Der offene Brief, den auch ich unterschrieben habe, fordert auf, Deutschland nicht zur Kriegspartei zu machen", so Nur. Dies unterstütze er. Wenn Nuhr jemand erklären könne, zu welchem Ziel der Krieg in der Ukraine weiter angefeuert werden soll, dann Nuhr gerne bereit seine Meinung zu ändern.
- "Wir werden nicht umhinkommen, uns zu fragen, was eskalierende Waffenlieferungen, die den Krieg auf eine neue Stufe heben und die Zahl der Toten in die Höhe treiben, überhaupt bewirken sollen", schreibt Nuhr.
- Wenn der Brief es geschafft haben sollte, eine solche Diskussion anzustoßen, dann sei er erfolgreich gewesen. Es stehe aber zu befürchten, dass dies nicht der Fall sein werde. "In unserer öffentlichen Diskussion herrscht emotionale Erregung, nicht rationale Abwägung", sagt Nuhr.
Verfahrene Situation
Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation in der Ukraine sei schwer zu finden. "Mir konnte jedenfalls bisher niemand erklären, wie die Lieferung schwerer Waffen dazu beitragen könnte, die Ukraine zu befrieden. Ich finde den von Russland angezettelten Angriffskrieg im Übrigen genauso deprimierend und unerträglich, wie die Befürworter der Waffenlieferungen. Aber selbst diese Haltung wird mir und den Unterzeichnern teilweise abgesprochen. Wahnsinn" schreibt Nuhr.
- Wie immer in den letzten Jahrzehnten - das lehre die Geschichte - habe ein Krieg keine Gewinner. "Es ist für mich klar, und meines Wissens sehen das auch die anderen Unterzeichner des offenen Briefes so, dass der Angriffskrieg Russland aus Europa und dem Kreis der zivilisierten Nationen herauskatapultiert hat. Ohne Regimewechsel darf es kein zurück zur Normalität mit Russland geben", so Nuhr.
Tatsache sei aber auch: Es werde - so weh das tue - keinen Frieden in der Ukraine ohne Beteiligung Russlands geben. Es werde deswegen nicht zu verhindern sein, dass die zivilisierte Welt mit Russland den Dialog suchen muss. Russland ist Atommacht.
"Ein Atomkrieg ist unbedingt zu verhindern. Mich verwundert, dass dieses Argument offenbar viele Journalisten nicht interessiert. Als Warner vor einem Atomkrieg von Linken und Grünen belächelt und herabgesetzt zu werden, dürfte für die meisten Unterzeichner eine neue Erfahrung sein...".
Quelle: https://www.facebook.com/nuhr.de, mei