In der Diskussion um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine hat Grünen-Ikone Hans-Christian Ströbele die eigene Parteispitze zu einem maßvollen Vorgehen aufgerufen.
In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der Mitgründer der Alternativen Liste/Grüne, "mehr Waffen-Lieferungen führen dazu, dass die Kämpfe härter werden, dass die Zerstörung größer wird, dass auch mehr Menschen sterben".
Wenn die Lieferung in die Ukraine dennoch geboten erscheine, müsse dies nachvollziehbar begründet werden. Das gelte besonders für die Lieferung schwerer Waffen, die für Angriffe geeignet seien und genutzt würden. "Mir fehlt die Reflexion und Information", sagte Ströbele.
- Wenn diese Waffenlieferungen zunächst abgelehnt wurden, weil das Risiko der Eskalation zu einem Weltkrieg mit Einsatz von Atomwaffen befürchtet worden sei, müsse eine Wende begründet werden, warum das Risiko in Kauf genommen werde oder nicht mehr bestehe und ob es dazu neue Erkenntnisse gebe und welche, kritisierte der Grünen-Politiker.
"Bei dem Vorgehen, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern, handelt es sich um erprobte, international seit Jahrzehnten anerkannte und auch gute Grundsätze der Friedenspolitik. Sind diese Grundsätze jetzt vollständig obsolet oder gelten sie nur im Fall der Ukraine nicht, und wenn nicht, warum nicht?", fragte Ströbele. Er forderte die Bundesregierung zur Klärung auf.
- Er erinnerte daran, dass dann auch die Koalitionsvereinbarungen geändert werden müssten, in denen auf diese Grundsätze Bezug genommen werde. "Sehen sich die Grünen noch an der Seite der Friedensbewegung?", fragte Ströbele.
- Der Friedensaktivist äußerte die Befürchtung, dass die Lieferung von Panzern und Haubitzen zu einer Ausweitung des Konflikts führen könne.
- "Irgendwann könnte der Punkt kommen, an dem Russland die massive finanzielle Unterstützung der Ukraine und deren Aufrüstung mit allen Waffen durch die Nato gar als Kriegsbeteiligung bewertet und dies zu einem noch größeren Krieg führt, mit atomarem Risiko. Ich rate dringend, diesen Punkt nicht zu suchen."
- Ströbele kritisierte den Sprachgebrauch in Politik und Medien als "zunehmend martialisch". Begriffe wie die Unterstützung der Verteidigung "jeden Meters Boden" oder "bis zum Ende" oder "um jeden Preis den Krieg gewinnen" zu wollen, gingen ihm zu weit.
Kritik an Putin
Der Berliner Rechtsanwalt Ströbele zählt zu den Mitgründern seiner Partei. Als Pazifist sieht er sich im Unterschied zu anderen prägenden Personen der Grünen wie Petra Kelly nicht. Er kritisiert die russische Politik und Präsident Wladimir Putin seit Langem. Als Putin 2001 im Bundestag empfangen wurde, blieb Ströbele aus Protest als einziger Abgeordneter demonstrativ sitzen. Russlands Angriff auf die Ukraine bezeichnete er mehrfach als "dumm" und insbesondere die Kriegführung als "unverzeihlich schrecklich". pm, ots