Gregor Gysi, langjähriger Fraktionschef der Linken im Bundestag, sieht seine Partei nach dem Scheitern bei den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen in einer "schweren existenziellen Krise", die auch durch persönliche Auseinander-setzungen befeuert werde.
- "Bei uns gibt es ein Denunziationsklima, das ist furchtbar. Und es gibt einen ideologischen Streit, der nach dem Motto geführt wird: Ich habe recht, alle anderen haben unrecht", erklärte Gysi im Fernsehsender phoenix.
- Auch früher schon habe es Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Partei gegeben. "Schlimmer geworden ist aber diese Wichtigtuerei, das Ich-Bewusstsein." Notwendig sei es jetzt, den internen Zwist sofort zu beenden.
- "Das Niederträchtige müssen wir überwinden, indem wir den Leuten klarmachen, sie bringen sich um ihre eigene Existenz", meinte Gysi, der sich im Übrigen hinter die wegen sexueller Übergriffe in ihrem Heimat-Landesverband unter Druck geratene Parteivorsitzende Janine Wissler stellte.
- "Sie war in einer äußerst schwierigen Situation und das wird überhaupt nicht bedacht." Ein eigenes Engagement an der Parteispitze schloss Gysi aus. "Auf gar keinen Fall werde ich wieder Vorsitzender der Partei."
Notwendig sei es für die Linken, sich jetzt wieder auf inhaltliche Schwerpunkte zu konzentrieren und für die Bürger Klarheit über linke Überzeugungen zu schaffen.
- "Solange die Bürger den Eindruck haben, du kannst bei uns alles haben, weil es alle Positionen gibt und die alle gleichberechtigt sind, verlierst du Wähler", meinte Gysi.
- Künftig müsse zwar auch intern um Inhalte gerungen, dann aber klargestellt werden, welches die Mehrheitsposition sei.
Hinsichtlich des Krieges in der Ukraine zeigte sich der Linken-Politiker überzeugt, dass der russische Präsident Putin "den Anfang seines Endes eingeläutet hat".
- Dies liege vor allem an schwindender Unterstützung in der Staatsspitze. "Wenn du autoritäre Strukturen hast, brauchst du einen Apparat, der dich stützt und hält. Und er hat begonnen, den Apparat zu verlieren", zeigte sich Gysi überzeugt.
- Er wisse nicht, wie schnell sich eine Ablösung des Kreml-Machthabers vollziehe, doch müsse sich die Welt schon jetzt auf ein Russland nach Putin vorbereiten.
- Die Nato habe zwar in Bezug auf die Ukraine vieles falsch gemacht, "nur hat sie keinen einzigen Fehler begangen, der diesen schrecklichen, verbrecherischen, völkerrechtswidrigen Angriff gegen die Ukraine rechtfertigt".
Gysi wandte sich erneut gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. "Wir reden nur über Waffen, Waffen, Waffen und Sanktionen, Sanktionen, Sanktionen. Was Anderes fällt uns nicht ein. Aber das hat den Krieg bislang nicht beendet, im Gegenteil", sagte der Linken-Politiker. pm, ots