Das Gegenteil von gut ist gut gemeint: So lässt sich die Diskrepanz zwischen dem Anspruch des 9-Euro-Tickets und der Realität einer kaputtgesparten Bahn zusammenfassen.
Seit deren Privatisierung 1994 ist diese Entwicklung beobachtbar: marode Gleise, überlastete Netze, Sanierungsstau beim Material, Personalmangel. Bahnpendler im Rhein-Main-Gebiet erinnern sich mit Schrecken ans hochnotpeinliche Mainz-Debakel im August 2013, als wegen kranker Fahrdienstleiter im Stellwerk wochenlang kaum noch Züge die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt anfuhren - mit fatalen Auswirkungen auf die gesamte Region.
- Manche Mängel wurden behoben, andere tauchten auf. Und dann flutet die Bundesregierung die Züge mit Hilfe des 9-Euro-Tickets, um die Bürger zu entlasten und ihnen zugleich den ÖPNV schmackhaft zu machen (Stichwort: Verkehrswende).
- Was ist das Ergebnis? Chaostage vor und an Pfingsten. In Stuttgart musste die Polizei einen hoffnungslos überfüllten Zug räumen, in sozialen Netzwerken machen Videos die Runde, die dichtes Gedränge auf Bahnsteigen und in Abteilen zeigen. Ausfälle, noch mehr Verspätungen als sonst, genervte Kunden - sieht so die Verkehrswende aus?
- Natürlich spielt die Bahn eine zentrale Rolle beim Umstieg vom motorisierten Individualverkehr, aber sicher nicht in diesem Zustand. Das Experiment gibt immerhin ungeschönte Auskunft über die vielen Baustellen.
- Vor Politik und Managern liegt eine Herkulesaufgabe. Die gute Nachricht: Der von den Medien befeuerte Sylt-Hype hat auf der Insel der Reichen und Schönen nicht zum totalen Chaos geführt, die angereisten erlebnishungrigen Punks sorgten eher für ein Happening mit Dosenbier.
pm, ots, Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz, Autor: Sascha Kircher
Foto: Adam Borkowski