"Hofberichterstattung": Schwere Vorwürfe gegenüber dem NDR - Ständig Regierung befragt

Die Vorwürfe gegen den NDR in Kiel zu politisch motivierter Berichterstattung erhärten sich. "stern"-Recherchen belegten weitere Fälle.

 

Von "Hofberichterstattung" würden NDR-Mitarbeiter gegenüber dem "stern" sprechen. Anonym, so das Magazin weiter, erheben mehrere Personen aus dem Landesfunkhaus schwerwiegende Vorwürfe gegen den öffentlich-rechtlichen Sender.

 

Sie bestätigten zudem die Aussagen des internen Untersuchungsberichts aus dem NDR in Kiel, über den zuerst Business Insider berichtet hat und der dem "stern" vorliege.

  • Alle Mitarbeiter des Landesfunkhauses, mit denen der "stern" gesprochen habe, bestätigen die Vorwürfe gegen den NDR in Kiel.
  • "Auffällig ist, dass ständig die Regierung befragt und gesendet wird. Keine Stimme von der Opposition, keine kritische Stimme von Verbänden", sagt ein Redaktionsmitglied gegenüber dem Magazin.
  • Verantwortlich sei dafür in erster Linie die Leitung der Politikredaktion. "Man hat den Eindruck, Inhalte werden gefiltert, die Redaktionsspitze ist nicht mehr objektiv."

"Das ist eine Art von vorauseilendem Gehorsam", bestätigt eine zweite Person aus dem Landesfunkhaus. "Redaktions- und Funkhausspitze wollen ihre gut dotierten Verträge behalten oder weiter vorankommen. Und deswegen wollen sie niemandem auf die Füße treten. Aber so ist kritischer Journalismus nicht möglich."

  • Negative Berichte würden gezielt verhindert. "Es werden vorgeschobene Gründe genannt, warum wir dann doch nicht berichten sollen. Die Vorwürfe seien nicht ausreichend belegt.
  • Es müsste erst noch mehr recherchiert werden. Selbst bei einer eindeutigen Beleglage wird die Berichterstattung abgeschwächt oder sogar ganz verhindert, wenn sie nicht erwünscht ist."

Der "stern" habe mehrere Fälle recherchiert, welche die Vorwürfe der Redaktionsmitglieder bestätigten.

  • So habe der NDR nicht über eine Alkoholfahrt mit Unfallfolgen des einstigen CDU-Parlamentariers Hans-Jörn Arp berichtet.
  • Die Alkoholfahrt des engen Vertrauten von Ministerpräsident Daniel Günther sei großes Thema in den Medien des Bundeslandes gewesen, sei beim NDR jedoch totgeschwiegen worden.
  • "Die Nicht-Berichterstattung über den Vorfall rund um den Abgeordneten Arp bewerten wir rückblickend als Versäumnis", heiße es nun in einer Antwort des NDR auf stern-Nachfrage.

In einem zweiten Fall hat die Leiterin der Politikredaktion, Julia Stein, den Bauerntag in Schleswig-Holstein moderiert.

  • Auf dem Podium hätten neben Verbandsfunktionären wichtige CDU-Politiker gesessen, darunter Ministerpräsident Daniel Günther.
  • Die Berichterstattung zu der Veranstaltung im Schleswig-Holstein Magazin habe wenige Stunden später Julia Stein verantwortet.
  • Der NDR sagt, die Redaktionsleiterin habe an dem Tag freigenommen. Im Abspann der Sendung, der dem Magazin vorliege, werde jedoch als Verantwortliche für die aktuelle Berichterstattung Julia Stein genannt.

Wie gravierend die hausinterne Kritik ist, wissen die Autoren des Redaktionsausschusses genau. "Der Schaden für den NDR wäre immens, wenn dieser Vorgang in der Öffentlichkeit diskutiert würde", heiße es im Bericht, der dem "stern" vorliege. "Genau das gilt es zu verhindern." pm, ots

Foto: Donald Tong