Das Verwaltungsgericht Köln hält die Rückforderung von im Frühjahr 2020 ausgezahlten Corona-Soforthilfen durch das Land Nordrhein-Westfalen für rechtswidrig.
Gleich in sechs Verfahren habe das Gericht am 16. September 2022 Klagen von Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmen stattgegeben.
- Für die Empfänger der Corona-Soforthilfe sei nicht ersichtlich gewesen, dass das Land die Hilfen nur vorläufig bewilligt habe. Die Bescheide seien für das Gericht auch zu ungenau.
- Die Urteile zeigen für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, dass es ratsam sei, sich anwaltlich beraten zu lassen, bevor die Rückzahlung veranlasst werde.
- Bereits wenn erste behördliche Nachfragen auftauchten, mache der Weg zum Anwalt Sinn.
Im Frühjahr 2020 hat das Land Nordrhein-Westfalen ein Corona-Soforthilfsprogramm auf den Weg gebracht.
- In Abhängigkeit von der Beschäftigtenanzahl gab es für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Freiberufler und Solo-Selbstständige 9000, 15.000 oder 25.000 Euro.
- In einer Ende Mai veröffentlichten Soforthilfe-Richtlinie forderte das Land die Empfänger dazu auf, Einnahmen und Ausgaben mitzuteilen.
- Mit Hilfe der Angaben hätten Behörden einen „Liquiditätsengpass“ berechnet.
- Nur in Höhe dieses Engpasses sollten die Hilfeempfänger die Soforthilfe nach Auffassung des Landes behalten dürfen. Die übrigen Mittel forderte das Land zurück.
Das Verwaltungsgericht Köln habe diese Vorgehensweise der Verwaltung in folgenden Punkten kritisiert:
- Das Land sei aus Sicht des Gerichts zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Bewilligungen im Frühjahr 2020 unter dem Vorbehalt einer späteren endgültigen Entscheidung standen.
- Ein solcher Vorbehalt sei zwar rechtlich möglich, müsse aber aus den Bewilligungsbescheiden klar erkennbar hervorgehen. Unklarheiten gingen zu Lasten der Behörde, teilte das Gericht mit.
- Diese habe es in der Hand, Auslegungsprobleme durch eindeutige Formulierungen zu vermeiden.
- „Die an die Kläger gerichteten Bewilligungsbescheide enthielten weder ausdrücklich noch indirekt einen solchen Vorbehalt. Auch aus den sonstigen zum Bewilligungszeitpunkt verfügbaren Informationen, insbesondere den vom Land veröffentlichten Hinweisen zum Förderprogramm, mussten die Kläger nicht den Schluss ziehen, es habe sich um eine bloß vorläufige Bewilligung gehandelt“, heißt es von Gerichtsseite.
Die Förderrichtlinie des Landes vom 31. Mai 2020, die die Rückzahlung regelt, werde vom Gericht als irrelevant eingestuft, weil diese bei der Bewilligung der Corona-Soforthilfe noch gar nicht existierte.
- Auch die Ausschließlichkeit des sogenannten Liquiditätsengpasses habe die Kritik der Richter gefunden.
- Nach den Bewilligungsbescheiden hätten die Soforthilfen auch zur Kompensation von Umsatzeinbußen eingesetzt werden dürfen.
- Nachträglich habe das Land die Voraussetzungen für die Soforthilfe geändert. Doch das Land sei an die Bewilligungsbescheide gebunden.
Der Vorsitzende Richter im Kölner Verwaltungsgericht kritisierte nach einem Bericht des WDR die ungenauen Formulierungen:
- "Wir haben uns in der Bundesrepublik umgeschaut", sagte er. Damit zielt er darauf ab, dass zum Beispiel das Land Bayern die Vergabe der Hilfsgelder besser gelöst hat als NRW. Dort habe es einen klaren formulierten Antrag auf Soforthilfe gegeben.
- Seine Worte, so der WDR, richtete der Richter in erster Linie an die Anwälte der Kölner Bezirksregierung beziehungsweise, die des Landes NRW.
- Ein Vertreter der Behörden erwiderte, dass die Soforthilfemaßnahmen eine "Nacht und Nebel-Aktion" gewesen seien.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Land kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht einlegen.
pm, ots, Quelle: Kanzlei Dr. Stoll & Sauer
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